Das grässlichste Bauwerk Berlins entsteht derzeit
an der Chausseestraße in Mitte. Der bunkergleiche BND-Klotz mit Mauer
drum herum signalisiert dem Bürger vor allem eines: Misstrauen. Nun
ist der Bundesnachrichtendienst für die äußere Sicherheit zuständig;
aber manche Aktion der Schlapphüte im internationalen Einsatz
erscheint ähnlich fragwürdig wie das Treiben der Kollegen vom
Verfassungsschutz. Um ein neues Gefahrenpotenzial und damit eine
Selbstrechtfertigung zu basteln, ließen BNDler Mitte der 90er-Jahre
Uran von Moskau nach München fliegen und bespitzelten obendrein
Journalisten, die in der Causa recherchierten. Anderswo werden
triviale Schnüffelprogramme für Unsummen angeschafft. Und jetzt die
Herrschaften vom Verfassungsschutz, die für die innere Sicherheit
zuständig sein sollten: Das verzweifelte Schweigen aus Erfurt legt
den Verdacht nahe, dass ebenso übereifrige wie gewissenlose
Abwehrkräfte ihre Agentenspielchen trieben. Im Unterschied zu
früheren Skandalen wurden diesmal Menschen ermordet. Wie viele, das
lässt sich mit Gewissheit noch nicht sagen. Wie dicht die
Verfassungsschützer oder ihre V-Leute tatsächlich dran waren an den
Tätern, bleibt ebenfalls zu klären. Alle Indizien riechen nach einem
Skandal von gewaltigem Ausmaß. Fest steht: Einige Schnüffler im
Staatsdienst haben ihre Aufgabe grundsätzlich missverstanden. Hier
und da ist offenbar ein Staat im Staate entstanden, Menschen, die
ohne jedwede Kontrolle V-Leute einsetzen, bezahlen und deren Treiben
decken, was Spitzel zu einem doppelten Spiel geradezu einlädt: Wer
kann ausschließen, dass ein vermeintlicher V-Mann über Jahre satte
Summen kassiert, dafür bestenfalls mickrige Informationen liefert,
auf der anderen Seite aber seine eigene zweifelhafte Organisation mit
wertvollen Informationen versorgt? Wie will ein viele Millionen
teurer Dienst seinen Nutzen rechtfertigen, wenn es nicht einmal
gelingt, eine braune Terrorbande zu stellen, die fast ein Jahrzehnt
lang durch die Republik mordet? Haben die Zwickauer Rechtsterroristen
tatsächlich so perfekt getötet und gebombt, dass sie nicht zu
schnappen waren? Oder passt ein Mord hier, ein Anschlag da ganz gut
in die Logik von Diensten, die ihre Existenz immer wieder
rechtfertigen müssen? Die Politik kann bislang nicht überzeugend
darlegen, wer das Treiben dieser Aushilfs-Bonds kontrolliert, die im
Dienste der Bürger arbeiten sollen. Was der frühere BGH-Richter
Gerhard Schäfer in den nächsten Wochen als Leiter der
Ermittlungskommission hoffentlich zutage fördern wird, hätte im
Thüringer Innenministerium und wohl auch in Berlin längst bekannt
sein müssen. Die kleinlaute Erklärung der Erfurter
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, dass man erst einmal die
Untersuchungen abwarten müsse, beweist vor allem eines: Bislang hat
sich offenbar niemand so richtig darum gekümmert. Das Misstrauen, das
die Dienste ihren Bürgern gegenüber hegen, gilt auch umgekehrt:
Verfassung schützen, so lautet der Auftrag, nicht: Verfassung
unterhöhlen.
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