BERLINER MORGENPOST: Niederlage für Innensenator Körting – Leitartikel

Was für ein Debakel für Berlins Innensenator
Ehrhart Körting (SPD): Das Verwaltungsgericht hat die Neubesetzung
der Stelle des Polizeipräsidenten am Dienstag gestoppt, das Verfahren
muss neu gestartet werden. Von „erheblichen Rechtsfehlern“ ist in der
gerichtlichen Begründung die Rede. Für Innensenator Körting hätte es
nicht schlimmer kommen können. Hatte er in den vergangenen Wochen
doch stets erklärt, alles verlaufe bei der Auswahl des neuen
Polizeipräsidenten korrekt. Dabei waren die Fehler deutlich
erkennbar. So begann der Innensenator erst spät mit der Suche nach
einem neuen Polizeichef, obwohl doch schon seit Langem feststand,
dass Polizeipräsident Dieter Glietsch nach neun Jahren Amtszeit zum
1. Juni in den Ruhestand gehen würde. Schnell wurde klar, dass die
Zeit zu knapp war, dass die Berliner Polizei nach der Verabschiedung
von Glietsch ohne neuen Chef dastehen würde. Zum anderen ließ sich
Körting einmal mehr davon leiten, den Polizeipräsidenten nach seiner
politischen Nähe auszusuchen. Wir erinnern uns: 2002, da sollte
eigentlich Gerd Neubeck – damals Vizechef der Berliner Polizei, heute
Sicherheitschef bei der Deutschen Bahn – zum neuen Polizeipräsidenten
aufrücken. Ein guter Mann, doch mit einem CDU-Parteibuch. Körting
zauberte damals, nach dem Machtwechsel zu Rot-Rot, Glietsch hervor,
einen SPD-Mann aus Nordrhein-Westfalen. In diesem Jahr nun bewarb
sich Klaus Keese um den Posten, Leiter der Polizeidirektion 1 in
Berlin. Keese, ein Mann, der von den Berliner Polizisten ob seiner
Kenntnisse und verbindlichen, zuverlässigen Art sehr geschätzt wird,
der Autorität besitzt und Berlin bestens kennt. Doch Keese ist
CDU-Mitglied. Körting favorisierte deshalb von Anfang an Udo Hansen,
den früheren Chef der Bundespolizei Ost. Hansen ist SPD-Mitglied.
Noch Fragen? Und der Innensenator war sich seiner Sache so sicher,
dass er Keese noch nicht einmal zu einem Auswahlgespräch einlud. Ein
Gespräch, zu dem auch ein Experte von außerhalb hätte hinzugezogen
werden müssen. Warum Körting darauf verzichtete und Keese gleich eine
Ablehnung zuschicken ließ, bleibt sein Geheimnis. Der Verdacht, dass
er nach solch einem Gespräch Probleme bekommen hätte, die Ablehnung
zu begründen, liegt jedoch nahe. Das Positive an der Entscheidung des
Berliner Verwaltungsgerichts ist, dass das Auswahlverfahren nun neu
ausgeschrieben werden muss. Keese und alle anderen Bewerber werden
noch einmal eine Chance bekommen. Vielleicht erneut keine faire, aber
zumindest eine Chance auf ein fehlerfreies Verfahren. Körting will
jetzt prüfen, ob er Rechtsmittel gegen die Gerichtsentscheidung
einlegen und das Oberverwaltungsgericht anrufen wird. Er wäre klug
beraten, die Entscheidung zu akzeptieren. Die Auswahl der wichtigsten
Führungspersönlichkeiten im Sicherheitsbereich gehört zu den
vornehmsten Aufgaben eines Innensenators. Natürlich geht es da um
Vertrauen, aber vor allem auch darum, eine angesehene und
respektierte Persönlichkeit zu finden, die diese Mammutbehörde leiten
kann. Eine solche Entscheidung sollte nie vom Parteibuch abhängig
gemacht werden. Der gesamte Vorgang ist eine Blamage, die sich ein
Innensenator kaum leisten kann.

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