BERLINER MORGENPOST: Politisch fataler Abwehrkampf / Leitartikel von Joachim Fahrun

Die Berliner Wasserbetriebe haben es schwer. Der
Gewittersommer verhagelt ihnen in diesem Jahr das Geschäft, weil
weniger Menschen ihren Rasen wässern müssen und dreimal tägliches
Duschen auch nicht nötig ist. Zudem verliert das Unternehmen einen
Rechtsstreit nach dem nächsten. Jetzt haben die
Oberverwaltungsrichter in Münster die Verteidigungslinie beendet,
hinter der sich die Manager der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und
ihre teuren Anwälte seit Jahren verschanzt hatten: dass nämlich
allein das Landesrecht in Berlin für die Tarife zuständig sei. Und
irgendwelche anderen Behörden, gar das Bundeskartellamt, hätten kein
Recht zu überprüfen, warum die Berliner Bürger so viel für ihr Wasser
bezahlen müssen. Dass diese Preise zu hoch liegen, das meinen nicht
nur die Wirtschaft, die Bürger und die meisten Berliner Politiker.
Das Kartellamt hat nach längerer Prüfung missbräuchlich überhöhte
Preise festgestellt und eine Senkung verfügt. Womöglich sollen die
Bürger sogar Geld zurückbekommen für das, was sie seit 2009 zu viel
bezahlt haben. Dass die Wasserbetriebe, die zu 50,1 Prozent dem Land
Berlin gehören, von ihren Gesellschaftern in einen verlustreichen
Abwehrkampf gegen niedrigere Wasserpreise getrieben werden, ist
befremdlich. Schließlich hat die CDU, die nun mit
Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) die
BWB-Aufsichtsratschefin stellt, am lautesten verlangt, dass die
Wasserpreise sinken müssen. Bei aller Berechtigung, eine
kartellrechtliche Grundsatzfrage vor Gericht klären zu lassen, ist
das Vorgehen des Senats nicht vermittelbar. Es wird Zeit, eine
Wasserpolitik in Berlin überhaupt einmal zu formulieren und nicht nur
die Kassen des Finanzsenators zu füllen. Dazu wäre es hilfreich, den
RWE-Konzern wie geplant aus den Wasserbetrieben herauszukaufen und
mit Veolia entweder die Konsortialverträge zu verändern oder auch
deren Anteil an den Wasserbetrieben zu übernehmen. Dann wäre endlich
wieder die Politik am Zuge und könnte sich nicht mehr hinter mehr
oder weniger geheimnisvollen Deals mit den privaten Anteilseignern
verstecken. Wenn das Abgeordnetenhaus das so entscheidet, dürften die
Wasserbetriebe sogar ein hohes Grundwasserentnahmeentgelt ans Land
bezahlen, mit dem der Senat endlich etwas gegen die nassen Keller in
vielen Stadtteilen tun könnte. Die Berliner verlangen eine
Preissenkung, und es wäre angemessen, den Argumenten des
Bundeskartellamtes zu folgen. Denn anderswo ist das Wasser eben
deutlich günstiger. Dabei muss allen klar sein, dass niedrigere
Gewinne der Berliner Wasserbetriebe auch weniger Geld im
Landeshaushalt bedeuten. Rot-Schwarz sollte sich ehrlich machen: Eine
Umsatzrendite der BWB von fast 30 Prozent darf es nicht länger geben.
Überzogene Monopolgewinne eines Wasserversorgers, von dem sich
niemand abklemmen kann, sollten nicht zur Haushaltssanierung
herangezogen werden, wie das jahrelang schlechter Brauch war.

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