Hat sie nun oder hat sie nicht? Diese Frage
beschäftigt so manchen, nachdem erneut ein Plagiatsverdacht bei einer
Doktorarbeit öffentlich diskutiert wird. Dass im aktuellen Fall
gerade Annette Schavan verdächtigt wird, die bislang als
rechtschaffen, vertrauenswürdig und nicht zuletzt gut katholisch
galt, macht die Situation nahezu grotesk. Denn war nicht sie es, die
damals vor lauter Fremdschämen über den an Titelgier gestrauchelten
Politiker zu Guttenberg Moral und Anstand predigte?
Doch anders als im Fall des ehemaligen Verteidigungsministers zu
Guttenberg und anderer prominenter Politiker sind in der Doktorarbeit
der Wissenschaftsministerin Schavan wesentlich weniger Zitate
strittig. Von Fachleuten wird daher die Diskussion um die
wissenschaftliche Qualität dieser 30 Jahre zurückliegenden Arbeit als
offen angesehen. Trotzdem findet man massenweise „Schuldannahmen“,
Vorverurteilungen und teilweise auch unverblümte Häme und
Schadenfreude.
Woran liegt dies? Für Prof. Michael Berner ist eine sehr dunkle
Seite menschlicher Emotionen am Werk: der Neid. „Neid“, so Berner
„führt dazu, dass ich die eigenen Grenzen und die Grenzen der
Persönlichkeit des Anderen nicht mehr respektiere.“ Wenn dann ein
möglicher Fehler des Gegenübers sich zeigt, wird hemmungslos ohne
jeden Respekt zugeschlagen. Dies passiere umso wahrscheinlicher, wenn
der Andere eine deutlich höhere Position habe oder auch selbst hohe
moralische Standards verkünde, wie die Wissenschaftsministerin. Neid,
so der ärztliche Direktor der Rhein-Jura Klinik, spiele auch eine
wesentliche Rolle bei der Auslösung und Aufrechterhaltung vieler
depressiver Störungen. Auch Mobbing könne oft durch Neid angetrieben
sein. Weil der Andere einen vermeintlich besseren Status als man
selbst habe, werde er mit gnadenloser Härte verfolgt.
Klassisches Beispiel ist hier das 2001 in England durchgeführte
Experiment zum Neid unter Glücksspielern: Zwei Drittel der Spieler
waren bereit, die Hälfte ihres Gewinns dafür einzusetzen, ihren
Mitspielern Schaden zuzufügen. Je mehr man jedoch vom Neid Fühlen und
Handeln bestimmen lasse, desto weniger sei man mit erreichten
Positionen, Erlebnissen oder Zielen zufrieden, so der Psychiater
Berner. So treibt man sich und andere ständig an, erreicht jedoch nie
einen Punkt des Ausruhens. In dieser Beziehung sei Neid eine wirklich
selbstzerstörerische Emotion.
Wie kann man sich schützen? „Man muss erkennen, wo Neid der
Auslöser des eigenen Handelns ist und respektvolle Achtsamkeit
dagegensetzen. Respekt zum Einen für die Persönlichkeitsgrenzen eines
Gegenübers, der es verdiene mit Würde und Achtung vor seinen
Lebensleistungen behandelt zu werden. Zum Anderen aber auch mit
Respekt für die eigenen Grenzen. Zufriedenheit mit den Dingen, wie
sie sind und in dieser Akzeptanz auch die eigene Begrenztheit zu
erfahren, sei für viele Patienten mit Burnout und Depression eine
wichtige therapeutische Erfahrung.“ Zur Prophylaxe empfiehlt Berner
allen, sich an den letzten Moment zu erinnern, an dem man richtig
zufrieden mit sich und der Welt gewesen sei und sich dann zu fragen,
ob es sich lohne unzufrieden zu sein. „Wenn ich mich daran nicht mehr
erinnern kann,“ so Berner, „dann sollte ich schnell für solch einen
Moment des Innehaltens und der Achtsamkeit sorgen.“
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