Zumindest eines hat der österreichische Bundeskanzler
mit seiner Facebook-Aktion geschafft: seinen Bekanntheitsgrad
gesteigert. Selbst deutsche Kollegen redeten beim Mainzer
Mediendisput – mit rund 800 Journalisten eines der größten
Branchentreffen in Deutschland – über die laut Zeugenaussagen
gefälschten Profile auf Facebook, die gute Stimmung für Werner
Faymann machen sollten. Die Financial Times Deutschland brachte die
Geschichte über „Faymanns falsche Freunde“ sogar auf der Titelseite.
Jetzt könnte man die Angelegenheit als verunglückte PR-Aktion abtun.
Aber bezahlt wird der Webauftritt aus Steuergeldern. Bisher kostete
der Auftritt des Regierungschefs 99.000 Euro. Insgesamt sind 200.000
Euro veranschlagt und neun Mitarbeiter damit beschäftigt.
In der realen Welt macht sich der Regierungschef dagegen rar.
Auftritte, in denen er zur Wirtschafts- und Finanzkrise Stellung
nimmt, gibt es nur selten. Der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl ist in
den 90er-Jahren über Markt- und Dorfplätze gezogen, um seinen
Landsleuten zu erläutern, warum der Abschied von der D-Mark notwendig
ist. Faymann überlässt die Rolle des Krisen-Erklärers im Lande
Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sowie der deutschen Kanzlerin
Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.
Vielleicht ist es auch nur konsequent: Wer nichts zu sagen hat,
schweigt lieber.
Dafür meldet sich die SP-Zentrale in Form von erfundenen Menschen,
die sich in Leserbriefen positiv über Faymann äußern, zu Wort. Das
Gratisblatt Heute hat darüber diese Woche berichtet. Dass
Chefredakteur Wolfgang Ainetter just jetzt und nach nur zehn Monaten
nach Deutschland zurückkehren möchte, wie Eva Dichand weismachen
will, ist nicht glaubwürdig. Zudem ist fast zeitgleich in der Kronen
Zeitung Post im ersten Anlauf nicht erschienen – jene von Michael
Jeannée, der sich kritisch mit Faymann und Facebook
auseinandersetzte.
Zufall? Beide Dichand-Blätter bekommen gemeinsam mit Wolfgang
Fellners Österreich den Großteil der auf hundert Millionen Euro pro
Jahr geschätzten Inserate aus dem Regierungsbereich. Dafür werden
Steuermittel eingesetzt, und die Bürger haben ein Recht zu erfahren,
wohin ihr Geld fließt. Die Öffentlichkeit weiß nicht, wer eigentlich
die Eigentümer von Heute sind. Der Verdacht, dass die SPÖ zumindest
Miteigentümer ist _und dies in der komplizierten Firmenkonstruktion
versteckt werden soll, ist nicht ausgeräumt. Wenn dem so ist, dann
liegt sogar verdeckte Parteien-_finanzierung vor. Wohin das Geld _der
Bürger fließt, darüber könnte der Kanzler und SPÖ-Chef in seinen
ebenfalls vom Steuerzahler finanzierten Kommunikationsplattformen
Auskunft geben.
Auch bei den Grünen soll die Auskunftsfreudigkeit der eigenen
Abgeordneten eingeschränkt werden. Dass Bundesgeschäftsführer Stefan
Wallner Parteifreunde in einem Brief rügt, die sich selbstkritisch in
Interviews aus Anlass des 25-Jahr-Jubiläums mit dem Zustand der
Partei auseinandergesetzt haben, spricht nicht gerade für
Kritikfähigkeit der Grünen-Spitze, sondern erinnert an Metternich und
das ÖVP-Diktum vom „Hände falten, Goschx{2588}n halten“.
Aufklärung steht im alltäglichen Sprachgebrauch für das Bestreben,
Unklarheiten zu beseitigen, Fragen zu beantworten, Irrtümer zu
beheben. Dieser Wille ist bei den Parteien in Österreich nicht
wirklich vorhanden.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom