DER STANDARD-Kommentar „Die Tränen der Gabi Burgstaller“ von Michael Völker

Jetzt ist schon wieder was passiert: David Brenner
gab seinen Rücktritt bekannt. Der Finanzlandesrat nahm am Freitag,
nach Tagen des Zauderns und Zögerns, also doch noch politische
Verantwortung wahr – wohl nicht nur aus eigenem Antrieb. Bei allem
Respekt für diesen Schritt: Die SPÖ versucht damit auch
Schadensbegrenzung zu betreiben, Gabi Burgstaller aus der Schusslinie
zu bringen und letztlich nicht auch noch Werner Faymann zu
beschädigen. Burgstaller hat, als der Finanzskandal aufflog,
publikumsgerecht um?s Geld geweint. Das kann man für authentisch
halten oder als Theatralik abtun, sie hat sich immerhin entschuldigt
– bei den Steuerzahlern, den Bürgern, den Wählern. Auch bei Werner
Faymann. Es tut ihr leid. Leid um hunderte Millionen Euro, die eine
Landesbedienstete angeblich im Alleingang mit hochriskanten
Geschäften verjuxt hat, leid auch um den Imageschaden, den die
Politik dadurch wieder einmal erlitten hat. Ein paar Tränen hat
Burgstaller sicher auch wegen der eigenen Karriere zerdrückt: Die
Chancen, Landeshauptfrau in Salzburg zu bleiben, sind in den
vergangenen Tagen geringer geworden. Dass sie nicht davonlaufen
möchte, dass sie für Aufklärung sorgen, sich der Verantwortung
stellen möchte, das sind genau jene Stehsätze, die man nach Skandalen
immer wieder und viel zu oft hört. Solche Argumentation ist
politisches Leergut. Dieses politische Leergut kennt man besonders
gut auch aus Kärnten. Dort hat es immerhin auch einen Rücktritt
gegeben, und man hätte diesem Schritt etwas abgewinnen können, wäre
nicht Kurt Scheuch auf Uwe Scheuch gefolgt. Landeshauptmann Gerhard
Dörfler ist mit einer ganz ähnlichen Argumentation wie Burgstaller
immer noch im Amt, diesen Vergleich, so schmerzlich er sein mag, muss
sich die Salzburger Amtskollegin nun gefallen lassen. Mit Salzburg
gemeinsam haben die Kärntner, dass auch in ihrem Bundesland vorzeitig
gewählt wird – im Frühjahr schon. Damit wird 2013 zu einem
Superwahljahr: vier Landtagswahlen, die Nationalratswahl und zum
Auftakt eine Volksbefragung zur Abschaffung der Wehrpflicht. Allesamt
weitreichende Entscheidungen. Ein Ereignis wird in das andere
greifen, bis im Herbst schließlich über die Bundesregierung
abgestimmt wird. Die Frage der politischen Verantwortung wird sich
auch 2013 stellen: Aussitzen oder aufstehen und gehen? Dieser
Entscheidungsfindung wird sich nach der Volksbefragung vermutlich
auch Verteidigungsminister Norbert Darabos unterziehen müssen. Man
könnte die Frage genauso gut an Kanzler Werner Faymann richten. Noch
stehen Faymann und die SPÖ nicht so schlecht da – was die Umfragen
sagen. Das haben sie nicht der eigenen Stärke oder gar ihrer
Integrität zu verdanken. Das haben sie einer auf dem Boden liegenden
Volkspartei und einer erstaunlich schwachen Opposition zu verdanken.
Die Faymann?sche Eigenleistung ist mit freiem Auge kaum erkennbar.
Und wer würde schon behaupten, dass die SPÖ gut aufgestellt sei.
Halbwegs organisiert, aber inhaltlich komplett ausgedünnt. Die Phrase
von der sozialen Gerechtigkeit klingt schon schal, ehe der Wahlkampf
begonnen hat. Daran sind auch Salzburg, Burgstaller und die
Spekulationsgeschäfte des Landes (und anderer Länder) schuld. Soziale
Gerechtigkeit und politische Verantwortung lassen sich eben nicht
trennen. Da kann Faymann bei Burgstaller gleich dazuweinen. Ja, es
ist zum Heulen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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