Hannes Androsch ist enttäuscht. Und er hat allen
Grund dazu. Von den 90 Prozent Zustimmung zu seinem
Bildungsvolksbegehren, von denen er in einem Tagtraum gefiebert
hatte, ist er weit entfernt. Selbst wenn man realistischere
Einschätzungen heranzieht: Ein Riesenerfolg ist dieses Volksbegehren
nicht.
Bevor das große Jammern ausbricht, muss man aber ein oder zwei sehr
positive Punkte herausheben. Androsch und seine Unterstützer haben es
mit dieser Initiative geschafft, dass Bildung wieder diskutiert wird,
dass sich viele Leute, auch manche Politiker, konstruktiv mit dem
Thema auseinandersetzen, dass ganz grundsätzlich über Kindergarten,
Schule und Universität gesprochen wird. Dass Fehler benannt wurden,
dass Chancen erkannt wurden, wenigstens theoretisch, dass im
konstruktiven Sinne fantasiert wurde, was sein könnte.
Was noch ganz positiv aufgefallen ist: wie viele Leute sich engagiert
haben, freiwillig und aus Überzeugung. Und nicht nur solche, deren
Beruf es ist, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, also etwa
Lehrer, Journalisten oder Politiker.
Auch andere haben sich engagiert, nämlich Mütter und Väter, die über
mitunter leidvolle Erfahrung aus eigenem Erleben verfügen – und dann
vor der Schule oder dem Kindergarten stehen und sich mit anderen
Eltern austauschen. Da war nicht nur ein leises Verzweifeln und die
handelsübliche Resignation zu spüren, da gab es auch ehrliche
Empörung, so etwas wie eine Aufbruchsstimmung: Tu ma was! Ein Antrieb
aus der Empörung. Jetzt unterschreiben wir einmal.
Mag sein, dass das nicht genug war. Dass alles nichts geholfen hat
und hilft. Dass wir jetzt wieder zum politischen Alltag zurückkehren
und in diesem versinken.
Die Österreicher sind gelernte Pessimisten. Sie wurden dazu erzogen.
Leitspruch: Hilft eh nix. Wenn das Volk etwas außertourlich begehrt,
ist das der Politik üblicherweise nicht recht. Das wird von dieser
als ungebührliche Einmischung gesehen. Die Ergebnisse der bisherigen
Volksbegehren waren der Politik meistens ziemlich egal. Sie wurden
höflich ignoriert: Ein bisschen im Parlament behandelt, ein paar
Wortspenden der Regierungsspitze – das war–s dann, ehe die Anliegen
in einem Ausschuss schubladisiert wurden. Damit ist auch das
Vertrauen der Bürger, von der Politik ernst genommen zu werden,
stetig gesunken: Hilft eh nix.
Wird es diesmal anders werden?
Die beharrenden Kräfte haben immer noch die Oberhand. Die Regierung
zeichnet sich durch Mutlosigkeit aus, und die Bildungspolitik ist
immer noch das ideologische Schlachtfeld mit parteipolitischen
Schützengräben, die tief in die Erde gegraben sind. Da bewegt sich
nichts. Der Kanzler hat weder den Anspruch noch den Willen, etwas zu
verändern. Es fehlt ihm die Überzeugungskraft. Diese Hilflosigkeit
trägt er wie eine Monstranz vor sich her. Werner Faymann ist der
Verwalter, nicht der Gestalter. Und mit Michael Spindelegger hat er
einen kongenialen Partner zur Seite.
Umso mehr gilt: Diese Regierung braucht den Druck der Bürger, sie
muss den Eifer und das Engagement jener Menschen spüren, denen nicht
alles egal ist. Immer wieder. Wer einen Anspruch an die Politik hat,
muss diesen auch einfordern. Sonst versandet alles im Stillstand. Und
auch aus diesem Grund ist Hannes Androsch zu danken: Verzagen gilt
nicht.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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