„DER STANDARD“-Kommentar: „Schwerwiegende Ausschussware“ von Nina Weißensteiner

Was nun von diesem notgebremsten U-Ausschuss bleibt,
außer 47 Tonnen an Akten für die Altpapiersammlung: jedenfalls ein
schwerwiegendes Sittenbild dieser Republik, das Justiz, Politik wie
Wahlvolk noch lange beschäftigen wird.

Denn bevor dieses Gremium seine Arbeit überhaupt aufnehmen konnte,
wurde es von den Parteien proporzgemäß mit mehr als einem halben
Dutzend Staatsaffären überfrachtet – hauptsächlich, um
sicherzustellen, dass die politischen Mitbewerber reichlich angepatzt
werden – mit Ausnahme der Grünen, die noch nie die Last einer
Regierungsverantwortung getragen haben.

Doch mehr als SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ lieb sein konnte, ging dieses
Kalkül prompt auf – und alle standen recht schnell beschmutzt da.
Durch stundenlange Befragungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern
und Lobbyisten, Mitarbeitern und Beamten konnten bis dahin vielleicht
erahnte, aber noch nie so deutlich gewordene Unsitten aufgezeigt
werden.

Etwa, wie systematisch Scheinrechnungen für kaum belegbare
Leistungen – und womöglich zur Parteienfinanzierung – ausgestellt
wurden. Oder wie bei milliardenschweren Verkäufen von Staatseigentum
– siehe Fall Buwog – Parteifreunde eines Ministers Millionen an
Provisionen für angebliche Beratung mitgeschnitten haben. Bei
Vergaben wiederum – Stichwort Tetron – bekam plötzlich wie beim
Eurofighter eine andere Firma als der ursprüngliche Bestbieter den
Zuschlag – und davon profitierte just wieder ein parteinaher
Lobbyist. Zu alledem missbrauchten Regierungsmitglieder staatsnahe
Betriebe wie Asfinag, ÖBB und Telekom quasi als Selbstbedienungsläden
– für persönliches Wahlkampfsponsoring oder Eigeninserate in
Boulevardblättern.

Was davon alles strafrechtlich relevant ist, wird die Justiz
jahrelang aufzuarbeiten haben. Was politisch als verwerflich gilt,
dürfte mittlerweile selbst den Grassers und Strassers, Gastingers und
Faymanns in diesem Land klar sein.

Dieser U-Ausschuss zeigte aber wie kein anderer zuvor auch
gnadenlos die Schwächen des schärfsten parlamentarischen Instruments
auf: Anders als ein Gericht, das sich nicht an Vorgaben der Politik
zu halten braucht, ging einfach gar nichts mehr, als die
Inseratenaffäre rund um den Kanzler auf dem Plan stand.

Ab da galt nur mehr das Recht des Stärksten, der SPÖ. Mit der ÖVP
als Koalitionspartner in Geiselhaft und unter Beifall von FPÖ und BZÖ
hebelte sie zunächst die grüne Vorsitzende wegen eines
Geschäftsordnungsfehlers aus. Dann stimmten Rot und Schwarz mit ihrer
Mehrheit die Ladung des wichtigsten Zeugen, also von Werner Faymann,
nieder und erstellten stattdessen Listen mit Auskunftspersonen, von
denen alles, nur keine Auskunft zu den noch anstehenden
Untersuchungskomplexen – den Staatsbürgerschaftsvergaben und
Ostgeschäften der Telekom – zu erwarten war.

All hat das zeigt: Bevor in U-Ausschüssen keine Minderheitenrechte
gelten und eine unabhängige Schiedsinstanz über Streitereien wacht,
braucht erst gar kein neues Untersuchungsgremium mehr anzutreten –
weil die Regierungsparteien sein Ende ohnehin besiegeln, sobald es
ihnen zu heikel wird.

Die ärgste Schmach hat sich Faymann allerdings selbst zugefügt.
Denn er wird sein feiges Fernbleiben noch sehr lange rechtfertigen
müssen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom