DER STANDARD-Kommentar: „Wir Staatsmedien“ von Michael Völker

So wie die Regierung bisher Inserate gestaltet und
geschaltet hat, geht es nicht. Das war schlichtweg unanständig. Hier
wurden öffentliche Gelder missbraucht. Es ging de facto nur um die
eigennützigen Interessen der Regierungsmitglieder, praktisch nie um
einen Informationsgehalt oder gar um Aufklärung.
Der Eigennutz verbarg sich kaum hinter zweierlei Absichten: erstens
gut rüberkommen, Werbung in eigener Sache machen – mit Bild.
Zweitens, und das ist noch verwerflicher, ging es darum, sich beim
Boulevard Wohlwollen zu erkaufen. Die Zeitung Österreich von Wolfgang
Fellner, ein Spezi von Bundeskanzler Werner Faymann, hätte ohne
Regierungsinserate wahrscheinlich nicht überlebt. Damit die Krone
nicht böse ist, musste das gleiche Anzeigenvolumen auch dort
geschaltet werden. Dann musste auch Heute bei Laune gehalten werden.
Wenn das Ministerium oder das Kanzleramt nicht über die Geldreserven
verfügte, mussten eben ÖBB, Asfinag oder der Bundespressedienst
einspringen. Ein Anruf genügte.
100 Millionen Euro werden so jedes Jahr „investiert“. Die Regierung
findet nichts Böses daran. Das sei eben eine etwas andere Form der
Presseförderung. Da hätten doch beide Seiten etwas davon.
Augenzwinkern. Danke?
Nein, danke. Richtig ist, dass die Medien diese Aufträge brauchen
oder gut brauchen können – auch der Standard. Was nicht geht: dass
sich Wohlwollen erkauft wird, dass sich Berichterstattung erkauft
wird, dass eine Hand die andere wäscht, dass Aufträge freihändig
vergeben werden. Dass diejenigen Zeitungen das meiste Geld bekommen,
die vielleicht die meisten Wähler mobilisieren können. Und dass diese
es dann möglicherweise auch tun.
So weiß die Öffentlichkeit nicht, wem die Gratiszeitung Heute gehört,
in Wien bereits stärkste Tageszeitung. Die Eigentümerstruktur ist
durch _eine komplizierte Stiftungskonstruktion verschleiert.
Angeblich steckt die SPÖ dahinter, ein anderes Gerücht kolportiert
die Familie Dichand als Eigentümer, die damit über ein einmaliges
Medienmonopol verfügen würde.
All diese Missstände soll das neue Transparenzgesetz beheben. Nicht
freiwillig, sondern auch auf Druck der Öffentlichkeit. Krone,
Österreich und Heute taten sich dabei nicht hervor.
Jetzt soll es Regeln geben. Gut so. Es kommt eine vierteljährliche
Veröffentlichungspflicht, wer was von wem bekommen hat. Es handelt
sich immerhin um öffentliches Geld, das von den Steuerzahlern
aufgebracht wird, und nicht um Werner Faymanns Privatschatulle. Und:
Alle Medien müssen ihre Eigentümerstrukturen offenlegen, samt
Stiftern und Begünstigten. Das wird noch spannend.
Eine Art Ehrenkodex wird in dem Gesetz nicht festgeschrieben, das ist
ein Manko. Es wäre angebracht gewesen, für Medien, die öffentliches
Geld in Form von Inseraten erhalten, Mindestanforderungen in
ethischer Hinsicht zu definieren. Immerhin: Inserate sollen künftig
Inhalte transportieren – und staatsnahe Betriebe keine Minister mehr
abfeiern. Wenn die Ministerien selbst inserieren, darf allerdings
sehr wohl die Chefin oder der Chef abgebildet werden. Doris Bures und
Nikolaus Berlakovich werden also weiterhin aus den Zeitungen lachen.
Die Regelung ist ein Kompromiss und nicht perfekt, aber sie ist
eindeutig ein Fortschritt. Österreich ist seiner Demokratisierung
wieder ein Stück näher gekommen. Dank seiner Medien und trotz seiner
Medien.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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