DUH-Umfrage zu deutschen Umweltzonen: Zwei Drittel der Städte verweigern effektive Kontrollen

Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht Ergebnisse
einer bundesweiten Umfrage zum Kontrollverhalten in 47 deutschen
Umweltzonen – 30 Städte erhalten die „Rote Karte“ für unzureichende
Überwachung und Ahndung von Verstößen – Nur vier Städte für gute
Kontrollen mit „Grüner Karte“ ausgezeichnet – Bundesverkehrsminister
Ramsauer torpediert Luftreinhaltepolitik durch geplante Abschaffung
des Flensburger Strafpunkts – DUH-Bundesgeschäftsführer Resch: „Wenn
nötig werden wir eine funktionierende Überwachung flächendeckend
einklagen“

Die Mehrheit der deutschen Städte verhindert den Erfolg ihrer
Umweltzonen. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Umwelthilfe e.V.
(DUH) in einer heute vorgestellten Untersuchung. Nur vier von
insgesamt 47 befragten Städten kontrollieren dieser zufolge die
vorgeschriebene Plakettenpflicht effektiv – die Mehrzahl überprüft
unzureichend bis gar nicht. Die Umweltschutzorganisation bezeichnete
das Resultat der diesjährigen Befragung als nicht hinnehmbar.
Umweltzonen könnten ihre Wirkung nur bei konsequenter Überwachung
durch die zuständigen Behörden voll entfalten. Sie wurden in
Deutschland seit Januar 2008 nach und nach eingeführt und sollen die
mit Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) belasteten Stadtzentren
entlasten.

„Das Beispiel Berlin zeigt, dass sich die verkehrsbedingten
Luftschadstoffe durch eine konsequente Kontrolle der Umweltzone
drastisch verringern“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der
Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). „Offensichtlich haben viele Städte
und Kommunen vor allem im Süden der Republik aber noch immer nicht
verstanden, dass sie die Wirksamkeit der Umweltzonen durch effektive
Kontrollen gewährleisten müssen, um die Luftqualität maßgeblich zu
verbessern.“ Die DUH kritisiert zudem die Absicht von
Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU), den bisherigen Strafpunkt bei
Verkehrsverstößen gegen Umweltzonenregelungen abschaffen zu wollen.
Damit torpediere er EU-rechtswidrig die Luftreinhaltepolitik.

Gute Bewertungen erhielten in diesem Jahr vier Städte – immerhin
doppelt so viele wie bei der letztjährigen Umfrage. Berlin, Bremen,
Hannover und Leipzig erhielten für ihre effektive Kontrolle des
fließenden wie stehenden Verkehrs eine „Grüne Karte“. Als besonders
erfreulich erachtet die DUH, dass auch Leipzig inzwischen seine
Kontrollpflicht ernst nimmt. Die Stadt hatte nach langem Zögern im
vergangenen Jahr eine Umweltzone eingeführt und zunächst angekündigt,
diese kaum oder gar nicht kontrollieren zu wollen. Durch eigene
Umweltzonen-Kontrollen in Leipzig konnte die DUH die Stadt
inzwischen von ihrer Verantwortung überzeugen. Auch Bremen hat seine
Kontrolltätigkeit gründlich verbessert und erhält im Gegensatz zur
„Roten Karte“ im Vorjahr nun die „Grüne Karte“.

In 30 befragten Städten verweigern die Behörden immer noch
wirksame Kontrollen und erhielten dafür die „Rote Karte“. Besonders
negativ fiel das grün-rot regierte Baden-Württemberg auf, dessen 19
Umweltzonen alle die schlechteste Bewertung bekamen. In 17 von ihnen
wird praktisch überhaupt nicht kontrolliert. Dies sei aus Sicht der
DUH zwar eine „Erblast“ der ehemaligen schwarz-gelben
Landesregierung. Von dem grün-roten Regierungsbündnis erwartet die
Umweltschutzorganisation jedoch mehr Verantwortung und eine
Umstellung ihrer Umweltzonen auf die grüne Plakettenpflicht noch in
diesem Jahr.

„Manch einer scheint anzunehmen, mit dem Aufstellen der
Umweltzonenschilder sei es getan. Offensichtlich haben viele Städte
und Kommunen noch immer nicht verstanden, dass es um die Gesundheit
ihrer Bürger geht“, so Resch. Durch zahlreiche Ausnahmeregelungen und
schwache Kontrollen unterlaufen viele Städte und Kommunen die
Bemühungen um die Verbesserung der Luftqualität. Die DUH kündigte an,
wenn nötig eine funktionierende Überwachung flächendeckend
einzuklagen und ihre Umfrageergebnisse der EU-Kommission zur
Verfügung stellen, die derzeit Vertragsverletzungsverfahren wegen
ungenügender Luftreinhaltemaßnahmen vorbereitet.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die DUH mehrere Klagen zur
Luftreinhaltung auf den Weg gebracht. Bisher geben alle
Gerichtsurteile ihren Forderungen Recht. „Seit-dem der Europäische
Gerichtshof die Klagerechte von Verbänden im Jahr 2011 deutlich
gestärkt hat, können Umweltverbände die nötigen rechtlichen Maßnahmen
gegen Luftverunreinigungen ergreifen“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Remo
Klinger. „Behörden, die Verstöße mehr oder weniger sanktionslos
dulden, müssen daher mit Klagen von Bürgern und Umweltverbänden
rechnen. Die DUH wird als Kläger vorangehen.“

Die Pressemitteilung und die vollständige Übersicht mit den
Ergebnissen der Umfrage finden Sie im Internet unter:

http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2788

Hintergrund:

Die Deutsche Umwelthilfe hat zwischen Januar und Februar 2012 die
verantwortlichen Behörden in insgesamt 47 deutschen Städten zu ihrem
Vorgehen bei der Überwachung der jeweiligen Umweltzonen im Jahr 2011
befragt. Der Schwerpunkt der Erhebung lag dabei auf der Zuständigkeit
und der für die Kontrolle der Plakettensünder verantwortlichen Organe
der Städte, auf der Anzahl der festgestellten Verstöße sowie der in
Folge ausgestellten Bußgeldbescheide, die mit 40 Euro und einem Punkt
in der Verkehrssünderkartei in Flensburg belegt wurden. Darüber
hinaus wurde abgefragt, wie viele Bußgeldbescheide davon den ruhenden
und den fließenden Verkehr betrafen.

Unter den zahlreichen Städten ohne klare Zuordnung der
Kontrollverantwortung oder ohne ein erkennbares Interesse an einer
effektiven Durchsetzung der Umweltzonen, finden sich auch solche mit
sehr eigenwilligen und nach Auffassung der DUH nicht EU-konformen
Kontrollverfahren. So preist die Stadt Köln erneut ihr so genanntes
„Kölner Modell“ an, das einen regulären Bußgeldbescheid (40 Euro plus
einen Punkt in Flensburg) für Verstöße gegen die Plakettenpflicht
erst nach dem vierten registrierten Verstoß vorsieht. Bei den ersten
beiden Verstößen bleibt es bei einer mündlichen Verwarnung, beim
dritten Verstoß sind lediglich 25 Euro fällig. Aus Sicht der
Deutschen Umwelthilfe ist die Kölner Interpretation der
Plakettenverordnung fragwürdig, weshalb die Stadt eine „Rote Karte“
erhielt. Zudem behaupteten einige Städte, den ruhenden Verkehr
aufgrund des Prinzips der Fahrerhaftung nicht kontrollieren zu
können. In vielen Umweltzonen führt auch die Polizei keine gezielten
Kontrollen durch, nur in wenigen Orten prüft sie die Plaketten bei
allgemeinen Verkehrskontrollen mit. Diese regionalen Unterschiede
sind umso unverständlicher, als die rechtlichen Regelungen bundesweit
einheitlich gelten. Für die DUH bedeutet das: Wenn Berlin, Bremen,
Leipzig und Hannover sowohl den ruhenden, wie auch den fließenden
Verkehr effektiv kontrollieren können, ist das auch bundesweit
möglich.

Städte mit der „Grünen Karte“ führen sowohl im ruhenden als auch
im fließenden Verkehr Kontrollen zur Einhaltung der geltenden
Regelungen durch. Auf der DUH-Skala von null bis fünf Punkten
erhielten sie jeweils die Höchstpunktzahl. Immerhin 13 Städte – mehr
als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr – erreichten jeweils
drei oder vier Punkte und erhielten die „Gelbe Karte“. In die
Kategorie fallen Frankfurt, Augsburg, Neu-Ulm, Wuppertal, Bochum,
Bottrop, Düsseldorf, Essen, Krefeld, München, Dortmund, Neuss und
Oberhausen. Diese Kommunen überwachen in der Regel die Einhaltung der
Bestimmungen bei geparkten Fahrzeugen, vernachlässigen aber die
Kontrolle und die Ahndung von Verstößen im fließenden Verkehr. In der
roten Kategorie befinden sich die Städte, die null bis zwei Punkte
erhalten haben.

Jährlich sterben nach Erkenntnissen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein in Deutschland 75.000
Menschen vorzeitig an Feinstaub. Das sind mehr als fünfzehn Mal so
viele wie bei Verkehrsunfällen. Umweltzonen gelten bei konsequenter
Umsetzung als effektivste Einzelmaßnahme zur Verbesserung der
Luftqualität in verkehrsreichen Ballungsräumen. Damit widerspricht
die DUH ausdrücklich dem von ADAC und Autoherstellern regelmäßig
vorgebrachten Argument, dass Umweltzonen unwirksam seien und verweist
auf laufende wissenschaftliche Begleituntersuchungen. Nach Messungen
des Umweltbundesamtes sowie des Münchner Helmholtz-Institutes
reduzieren Umweltzonen die besonders gesundheitsschädlichen
Dieselrußpartikel um bis zu 58 Prozent. Diese positive Wirkung können
sie jedoch nur erzielen, wenn schmutzigen Diesel-Fahrzeugen die
Einfahrt verweigert wird und man die Zonen konsequent kontrolliert.

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger,
Schaperstraße 15, 10719 Berlin, Tel. 030 88472-80, Mobil: 0171
2435458, E-mail: klinger@geulen.com

Amrei Münster, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel. 030/2400 867 71, E-Mail: muenster@duh.de

Daniel Eckold, Pressesprecher, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-22, Mobil: 0151 55017009,
E-Mail: eckold@duh.de