Jedes zweite Rohingya-Kind, das sich ohne Eltern in
Flüchtlingslagern in Bangladesch aufhält, ist aufgrund brutaler
Gewalt zum Waisen geworden. Das zeigt eine neue Untersuchung von Save
the Children. Gegenwärtig leben mehr als 6000 unbegleitete
Rohingya-Kinder im Flüchtlingscamp Cox–s Bazar in Bangladesch, wo sie
mit akuter Nahrungsmittelknappheit konfrontiert und einem erhöhten
Risiko von Ausbeutung und Misshandlung ausgesetzt sind.
Am 25. August 2018 jährt sich zum ersten Mal die Vertreibung der
Rohingya aus Myanmar. Damals flohen 700.000 Menschen nach
Bangladesch, mehr als die Hälfte von ihnen Kinder.
Kinderschutzexperten in den Flüchtlingslagern der Region gingen
bisher davon aus, dass die überwiegende Mehrheit dieser Kinder im
Chaos der Flucht nach Bangladesch vorübergehend den Kontakt zu ihren
Eltern oder Betreuern verloren hat. Aber die Untersuchung legt nahe,
dass dies nicht der Fall ist. 70 Prozent der befragten Kinder wurden
im Verlauf brutaler Angriffe auf ihre Dörfer oder während der Flucht
von ihren Familien getrennt. Die Hälfte aller befragten Kinder gaben
an, dass ihre Eltern und Angehörigen getötet worden seien.
Die Studie der Hilfsorganisation basiert auf Gesprächen mit 139
unbegleiteten Rohingya-Kindern und ist die größte ihrer Art.
Save the Children fordert, dass die Täter der systematischen,
rücksichtslosen und vorsätzlichen Angriffe in Myanmar nach
internationalem Recht für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen
werden. Die Kinderrechtsorganisation ruft alle Länder dazu auf,
entsprechende Initiativen bei den Vereinten Nationen zu unterstützen.
Mark Pierce, Landesdirektor für Bangladesch bei Save the Children,
sagte:
„Vor zwölf Monaten sahen unsere Teams unbegleitete Kinder in
Bangladesch ankommen, die so verstört, hungrig und erschöpft waren,
dass sie nicht sprechen konnten. Wir haben Räume für diese Kinder
eingerichtet, wo sie rund um die Uhr Betreuung erhielten, während wir
nach ihren Angehörigen suchten. Ein Jahr später ist klar, dass es für
viele der Kinder keine Vereinigung mit ihrer Familie geben wird.“
Diese Kinder, berichtete der Länderdirektor weiter, mussten sich in
den Lagern eine vollständig neue Existenz erschaffen: „Ohne Mutter
oder Vater, und das in einer Umgebung, in der sie Risiken wie
Menschenhandel, Kinderheirat und anderen Formen der Ausbeutung
ausgesetzt sind“, so Pierce.
Damit Hilfsorganisationen weiterhin lebensnotwenige Hilfe für
diese Kinder leisten könnten, müssten Geberländer in den
internationalen Rohingya-Hilfsfonds einzahlen. „Von den benötigten
950 Millionen US-Dollar, steht erst ein Drittel zur Verfügung“,
stellte Pierce fest. „Wir müssen sicherstellen, dass Rohingya-Kinder
für die Dauer ihrer Vertreibung Zugang zu sicheren, hochwertigen und
inklusiven Lernangeboten haben und dass die Verstörtesten unter ihnen
gezielte psychologische Hilfe erhalten.“
Save the Children hat in den vergangenen zwölf Monaten mehr als
350.000 Rohingya-Kinder in Cox–s Bazar erreicht, darunter die große
Mehrheit derjenigen, die ihre Eltern verloren haben oder von ihnen
getrennt sind.
Die Hilfsorganisation hat nahezu 100 kinder- und
mädchenfreundliche Räume in den Rohingya-Flüchtlingscamps in Cox–s
Bazar eingerichtet. Diese bieten knapp 40.000 Kindern einen sicheren
Ort, wo sie spielen, sich erholen und wieder Kind sein können.
Außerdem unterhält Save the Children Programme, die Zugang zu
Bildung, Gesundheit, Nahrung, Wasser und Hygiene ermöglichen.
Susanna Krüger, Geschäftsführerin von Save the Children
Deutschland, sagte:
„Es ist jetzt ein Jahr her, dass die Kindheit dieser Kinder in
Stücke gerissen wurde. Die Welt hat dabei versagt, die Täter dieser
barbarischen Angriffe, darunter auch die Armee in Myanmar, zur
Rechenschaft zu ziehen. Eine glaubwürdige, unparteiische und
unabhängige Untersuchung dieser Verbrechen und der Verletzungen der
Kinderrechte ist dringend gefordert.
Die internationale Gemeinschaft muss sich für eine langfristige
Lösung der Krise einsetzen, die den Rohingya-Flüchtlingen eine
sichere, würdevolle und freiwillige Rückkehr erlaubt und die
grundlegenden Rechte der Kinder und ihrer Familien respektiert.“
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Save the Children betreut auch die 17-jährige Humaira* (Name
geändert), die im August 2017 nach Bangladesch geflohen ist, nachdem
ihre Eltern vor ihren Augen getötet worden waren.
In Cox–s Bazar wird sie von Rashna Sharmin Keya, einer
Mitarbeiterin von Save The Children betreut. Keya berichtete, dass es
einen Monat dauerte, bevor Humaira bereit war, über das Erlebte zu
sprechen. „Als ich sie zum ersten Mal traf, redete sie nicht viel.
Sie hatte Angst im Herzen und vertraute niemanden“ sagte Keya. „Sie
weinte und erzählte mir –Alle sind tot. Meine ganze Familie ist in
Myanmar getötet worden. Ich hab es gesehen.“
Für Interviews und Medienanfragen, kontaktieren Sie bitte:
Evan Schuurman in Bangkok
+66 (0) 989 725 908
evan.schuurman@savethechildren.org
Daphnee Cook in Cox–s Bazar
+88 (0) 170 121 2608
daphnee.cook@savethechildren.org
Videomaterial: Interview und Schnittbilder aus Cox–s Bazar:
http://ots.de/tmEb5v
Interview mit Keya, Mitarbeiterin von Save the Children in einem
Flüchtlingslager in Cox–s Bazar, Bangladesch, wo aus Myanmar
geflohene Rohingya vorübergehend Zuflucht gefunden haben. Länge: 2:38
min
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Save the Children Deutschland e.V.
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