FT: Kommentar: Der Bundespräsident entblößt sich selbst

Es wird einsam um den Bundespräsidenten.
Diejenigen, die ihn einst als Staatsoberhaupt vorgeschlagen haben –
voran die Kanzlerin – schweigen. In der Kreditaffäre erhielt
Christian Wulff noch Rückendeckung von Angela Merkel. Was aber sollen
Union und FDP zugunsten eines Bundespräsidenten ins Feld führen, der
missliebige Zeitungsberichte durch dreiste Anrufe zu unterdrücken
versucht, wie man sie sonst allenfalls von Provinzpolitikern kennt?
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Wulff nicht in seinem
Amt angekommen oder dessen Anforderungen nicht gewachsen ist, dann
lieferte er ihn mit seiner Intervention im Springer-Verlag selbst.
Dass der Bundespräsident seinen Drohanruf auch noch auf die Mailbox
des „Bild“-Chefredakteurs sprach, zeugt entweder von Naivität. Oder
davon, dass Wulff angesichts der angekündigten Enthüllungen die
Fassung verloren hat. Beides ist eines Staatsoberhauptes unwürdig.
Das gilt noch mehr für die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen
und dem „endgültigen Bruch“ der Beziehungen zum Hause Springer. So
ist das also: Als die Springer-Medien ihm noch wohlgesonnen waren, da
erlaubte Wulff der „Bild“-Zeitung schon mal exklusive Einblicke ins
Privatleben. Wehe aber, es wird kritisch. Dann werden aus den
Seilschaften Feindschaften. Wenn der Bundespräsident mit seinem
privaten Hauskredit und die Einladungen reicher Unternehmen zum
Urlaub noch nicht alles Vertrauenskapital verspielt hat – mit dieser
billigen Form der – missglückten – Nachrichtenunterdrückung hat er
sich selbst in Misskredit gebracht. Das gilt allerdings auch für die
„Bild“-Zeitung. Anstatt die Intervention des Bundespräsidenten sofort
nach dem Anruf am 12. Dezember öffentlich zu machen, ließen die
Journalisten die Affäre köcheln. Sie wussten um die Brisanz des
Vorgangs; in Journalistenkreisen kursierten längst die Gerüchte über
den dreisten Anruf. Doch erst jetzt, da die Feiertage vorbei sind,
wird die Geschichte publik. So geht die Kampagne dort weiter, wo sie
über Weihnachten und Neujahr abgeflaut war. „Bild“ wird nicht
aufhören, bevor Wulff weg ist. Schon wird von kompromittierenden
Fotos berichtet, die die Redaktion von der Frau des Bundespräsidenten
besitze. Auch das ist in Medienkreisen nicht neu. Aber jetzt zählt
jede Munition, um das Staatsoberhaupt weich zu schießen. Es hat sich
in dieser Affäre selbst entblößt.

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