FT: Kommentar von Anette Asmussen: Schwer zu ertragen und dennoch richtig – Kindermörder Magnus Gäfgen bekommt 3000 Euro Entschädigung

von Anette Asmussen

Ja, es ist schwer zu ertragen: Da bekommt ein verurteilter
Kindermörder eine Entschädigung, weil ihm Polizisten – in höchster
Not und nur, um das Leben des Opfers möglicherweise noch retten zu
können – mit Folter drohen.

Das wirkt wie ein Schlag ins Gesicht der hinterbliebenen Eltern –
und ist doch ein Sieg des Rechtsstaats über die dumpfe Herrschaft
bloßer Rachegefühle. Die Richter blieben sachlich. Sie kamen Magnus
Gäfgens Forderung nach Schmerzensgeld und Schadensersatz nicht nach.
Die Kosten des von ihm angestrengten Prozesses wird er zum größten
Teil selbst tragen. Sie dürften weit über dem zugesprochenen Betrag
von 3000 Euro liegen. Aber indem das Gericht Magnus Gäfgen diese
Entschädigung gewährte, setzte es ein wichtiges Signal: Niemandem,
nicht einmal dem schlimmsten Verbrecher, darf die Menschenwürde
genommen werden. Und: Der Staat hat sich zu allererst selbst an
geltendes Recht zu halten.

Beide Grundsätze haben die Ermittler im Fall Magnus Gäfgen
gebrochen. Die Beweisaufnahme ergab, dass sie zu weit gegangen sind.
Sie haben mit ihren Gewaltandrohungen die Menschenwürde Gäfgens
„schwer verletzt“. Dafür muss der Staat die Verantwortung übernehmen
und eine Entschädigung zahlen; unabhängig von dem nachvollziehbaren
Motiv der Polizisten, die unter Hochdruck versuchten, das Opfer noch
lebend zu finden.

Keine Verantwortung zeigen dagegen Politiker wie Bayerns
Innenminister Joachim Hermann (CSU), der die Entscheidung als
„Perversion des Rechtsstaates“ bezeichnet. Am Beispiel dieses Urteils
sollten Politiker den Bürgern die Werte unserer funktionierenden
Demokratie erklären, statt dem Volk unreflektiert nach dem Maul zu
reden und stumpf populistisch Stimmenfang zu betreiben.

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Flensburger Tageblatt
Anette Asmussen
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