Der frühere britische Premierminister Tony Blair
ist besorgt um den Zustand der westlichen Demokratien in Zeiten von
Brexit und wachsendem Populismus. In einem Interview mit dem am
Donnerstag erscheinenden Hamburger Magazin stern sagt Blair, die
Vorherrschaft des Westens sei bedroht. „Wir werden drei Riesen haben.
Nämlich China, Indien und die USA. Wenn du von diesen Riesen nicht
zerquetscht werden willst, helfen nur Allianzen.“ Das sei einer der
Gründe, warum er so leidenschaftlich gegen den Brexit in seiner
Heimat kämpfe. „In diesen Zeiten sind sezessionistische Bewegungen
wie hier oder in Spanien schlicht verrückt“, sagt er dem stern.
Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas und Indiens sei zwar der
normale Gang der Dinge, aber der zweite Teil der Herausforderung sei
viel ernster. „Die wachsende Attraktivität autoritären Führungsstils.
Donald Trumps Erfolg hat gewiss damit zu tun, dass er die Bürger
angesprochen hat, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrückt
fühlten. Aber das erklärt nicht alles. Die andere Erklärung ist, dass
er sagt: –Ich kriege Dinge erledigt. Ich packe das an.– So geht er
vor, auch wenn wir mit ihm nicht übereinstimmen.“
Der G7-Gipfel am vergangenen Wochenende habe gezeigt, „wie wichtig
es ist, dass Europa einig und stark bleibt. Der Brexit bewirkt das
Gegenteil. Ich verstehe durchaus die Sicht der USA. Aber daraus
folgt, dass Europa ebenso entschieden die eigenen Interessen
wahrnehmen muss.“
Blair, von 1997 bis 2007 britischer Premier, kämpft nach wie vor
unverdrossen gegen den EU-Ausstieg und hält diesen Kampf fast auf den
Tag genau zwei Jahre nach dem Referendum für keineswegs verloren. In
dem stern-Interview sagt er, die Chancen stünden viel besser, als
viele Leute glauben. „Zu Beginn des Jahres dachte ich, wir wären bei
25 Prozent. Inzwischen denke ich eher an 40 Prozent.“ Der Brexit sei
ein großer Fehler. Er könne ein Klima des ungesunden Wettbewerbs
zwischen Großbritannien und Europa auslösen. Blair: „Die Leute
glaubten offenbar, wir würden freier und selbstbestimmter sein. Aber
das Gegenteil ist der Fall. Wir werden nicht freier sein.“
In dem Gespräch äußert sich Blair auch über Populismus in Europa
und die Ängste der Menschen. Die Politik brauche eindeutig mehr
Sensibilität in Fragen von Migration und kulturellen Veränderungen
und das schließe den ehrlichen Umgang mit Kriminalität ein. Das
hätten nicht zuletzt die Wahlen in Italien gezeigt. „Wenn wir das
nicht hinkriegen, werden wir versagen. Deshalb ist die politische
Mitte bedroht – von links wie von rechts“, sagt Blair im stern.
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