Kauder: Die Digitalisierung als Chance begreifen

Deutschland befindet sich beim Thema Industrie 4.0
in der Pole-Position

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker
Kauder, hat sich in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung in einem Namensbeitrag zur Digitalisierung der Wirtschaft
geäußert.

Der Artikel hat folgenden Wortlaut:

„Die industrielle Produktion ist das Fundament unseres Wohlstands.
Dies muss so bleiben. Die deutsche Wirtschaft steht angesichts der
Digitalisierung von Produktion und Produkten vor enormen
Herausforderungen. Aufgabe der Politik ist es, diesen Prozess zu
begleiten und die Unternehmen im Rahmen des Möglichen zu
unterstützen. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion besitzt das Thema
höchste Priorität.

Während in anderen Ländern der Anteil des produzierenden Gewerbes
an der Bruttowertschöpfung ständig sinkt, liegt er in Deutschland
konstant bei 25 Prozent. Die Finanzkrise hat uns gelehrt, dass eine
Volkswirtschaft, die in großem Umfang hochwertige Güter herstellt,
Krisen besser meistern, und langfristig auch eher in der Lage ist,
Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Die Welt beneidet Deutschland
um seine vollständigen Wertschöpfungsketten, die von der
Grundstoffindustrie über den industriellen Mittelstand bis hin zu den
kleinen Hightech-Schmieden reichen, die auf allen Märkten dieser Welt
mit großem Erfolg zu Hause sind. Vielen Ländern ist schmerzhaft
bewusst geworden, dass einmal verlorengegangene Industriezweige nur
schwer wieder zurückzuholen sind.

Die industrielle Fertigung steht vor einem gigantischen
Entwicklungssprung, der mit dem Begriff „Industrie 4.0“ oder
„Digitalisierung der Wirtschaft“ umschrieben wird. Nach
Dampfmaschine, Fließbandproduktion und dem Einsatz von Elektronik und
IT stehen wir an der Schwelle zur kompletten Vernetzung von Menschen,
Maschinen und Objekten zu einem Internet der Dinge. Die damit
verbundene weitere Automatisierung und Flexibilisierung der
Produktionsstrukturen in einer intelligenten Fabrik eröffnet über
alle Branchen hinweg immense Wertschöpfungspotentiale.

Es geht um nicht weniger als die Neuerfindung der Basis unseres
Wohlstands. Glücklicherweise braucht sich Deutschland nicht zu
fürchten. Im Gegenteil: Als „Fabrikausrüster der Welt“ ist
insbesondere der deutsche Maschinen- und Anlagenbau als
Schlüsselindustrie für diesen Prozess führend. Gleiches gilt für die
Elektrotechnik und den Fahrzeugbau. Noch hat Deutschland
technologisch die Nase vorn und befindet sich beim Thema Industrie
4.0 in der Pole-Position. Diesen Vorsprung dürfen wir nicht
verspielen.

Welchen Beitrag kann die Politik leisten? Die Digitalisierung der
Wirtschaft lässt sich nicht verordnen. Der Staat kann den Unternehmen
die Anpassung an innovative Entwicklungen nicht abnehmen. Es ist aber
Aufgabe der Politik, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit der
Digitalen Agenda und der neuen Hightech-Strategie hat die
Bundesregierung wichtige Leitlinien formuliert.

Für die Diskussion ist entscheidend, dass wir Industrie 4.0 vor
allem als Chance begreifen. Dazu gehört, besonders kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU) noch bestehende Ängste zu nehmen und sie
dabei zu unterstützen, ihre Innovationsfähigkeit durch neue digitale
Technologien zu erhöhen. Bei der Aufklärungsarbeit sehe ich
insbesondere die Industrie- und Handelskammern in der Verantwortung.
Bei der besseren Integration in digitalisierte Fertigungsprozesse
könnten öffentlich geförderte gemeinsame Projekte von
Forschungseinrichtungen, KMU und Großunternehmen mithelfen, das
nötige Knowhow zu vermitteln.

Für die Politik zeichnen sich vor allem folgende Handlungsfelder
ab: Die zentrale Herausforderung ist die Beschleunigung des
Breitbandausbaus. Bis 2018 wollen wir in ganz Deutschland qualitativ
hochwertige, flächendeckende und ausfallsichere Kommunikationsnetze
haben. Sie sind als Datenautobahnen Voraussetzung für die
Digitalisierung der Wirtschaft. Die Erlöse aus der geplanten
Versteigerung von freiwerdenden Rundfunkfrequenzen für den Mobilfunk
müssen deshalb dem Breitbandausbau zugutekommen. Außerdem haben die
Koalitionsfraktionen vor der Sommerpause einen Antrag „Schnelles
Internet für alle“ auf den Weg gebracht, dessen umfangreicher
Forderungskatalog an die Bundesregierung zügig umgesetzt werden
sollte.

Dieser Prozess würde idealerweise von einer stärker wachsenden
deutschen und europäischen IT-Industrie begleitet. Die Datenströme
der Zukunft sollten schon aus Wettbewerbsgründen nicht ausschließlich
über die Server einiger weniger marktbeherrschender Internetfirmen in
anderen Teilen der Welt abgewickelt werden. In der Digitalen Agenda
sind deshalb spezielle Fördermaßnahmen für junge IT-Unternehmen und
Start-ups vorgesehen. Junge Unternehmen kommen bei uns leider nur
schwer an Wagniskapital. Wir brauchen in unserer Wirtschaft mehr Mut,
gute Ideen zu unterstützen. Auf Initiative der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion prüft die Bundesregierung weitere
Schritte, Deutschland zu einem attraktiveren Standort für
Wagniskapital machen zu können. Eine stärkere steuerliche Förderung
sollte aber keine Mitnahmeeffekte provozieren. Dies auszuschließen
dürfte aber nicht leichtfallen. Eine weitere zentrale Aufgabe ist die
Verbesserung der IT-Sicherheit. Unternehmen, Nutzerund Staat sind
hier gleichermaßen gefordert. Alle Beteiligten werden nur dann bereit
sein, ihre sensiblen Daten in eine virtuelle Datenwolke (Cloud) zu
stellen, wenn sie vor Angriffen von außen geschützt sind. Mit der
Vorlage des Entwurfs für ein IT-Sicherheitsgesetz hat der
Bundesinnenminister einen ersten wichtigen Schritt getan. Die für
2015 geplante EU-Datenschutzgrundverordnung soll einheitliche
Regelungen für den gesamten Binnenmarkt festlegen. Die Kommunikation
zwischen Maschinen, Produktelementen und Kommunikationstechnologie
braucht eine gemeinsame „Sprache“. Wirtschaft und Politik müssen sich
gemeinsam darum kümmern, dass diese „Sprache“ international
standardisiert und normiert wird. Die Frage hat strategische
Bedeutung, denn wer die Norm macht, erobert in der Regel auch den
Markt. Deshalb sollten es am besten unsere Normen sein. Die digitale
Wirtschaft wird die Arbeitsbedingungen grundlegend verändern. Die
Bedeutung qualifizierter Tätigkeiten wird generell zu-, die Bedeutung
einfacherer Arbeiten wird abnehmen. Gemeinsam mit den in
Bildungsfragen zuständigen Ländern müssen wir deshalb über
Bildungsinhalte nachdenken, die den steigenden Anforderungen an den
industriellen Arbeitsplatz der Zukunft gerecht werden. Auch die
Tarifpartner müssen hier aktiv werden.

Die Digitalisierung der Produktion ist wie die Digitalisierung der
Produkte, die ein eigenes Thema ist, eine Frage, die für die Zukunft
des Wirtschaftsstandorts Deutschland von zentraler Bedeutung ist. Von
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen wir unseren Beitrag leisten,
dass es eine Erfolgsgeschichte wird.“

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