Eines wird Angela Merkel hoffentlich wissen: Die
innige Umarmung, die ihr durch die CSU auf dem Parteitag in München
widerfahren ist, ist nur eine Momentaufnahme. Die Christsozialen
spüren im Freistaat laut neuer Umfragen Aufwind. Sie haben bemerkt,
dass ihnen ausgerechnet Merkels Euro-Rettungskurs derzeit nicht
schadet, sondern nutzt. Deswegen hat sich die Partei nach dem
populistischen Krawall der vergangenen Monate plötzlich so kleinlaut
gegeben. So devot. Doch Vorsicht: Die CSU bleibt für Merkel ein Wolf
im Schafspelz. Das liegt an Horst Seehofer. Der Parteichef gab sich
am Wochenende zwar geläutert, doch in Wahrheit hat er ein völlig
anderes Politikverständnis als Angela Merkel. Während die Kanzlerin
ihre Aufgabe darin sieht, eine politische Konstante zu sein und so
gut es geht in der europäischen Krise Kurs zu halten, ist und bleibt
Seehofer ein Mann der unberechenbaren Wendemanöver. Die CSU ist aus
seiner Sicht in Berlin Regierungs- und Oppositionspartei zugleich.
Noch ist es so, dass die Bayern von Merkel profitieren. Für die
Christsozialen ohnehin ein gewöhnungsbedürftiger Zustand. Sollte sich
das allerdings wieder ändern, wäre die neue, viel beschworene
Harmonie der Unionsschwestern Geschwätz von gestern. Seehofer und
seine Getreuen haben kein Problem mit Rempeleien, ordentlichem
Populismus und Positionswechseln, wenn das alles nur dazu taugt, im
kommenden Jahr bei der Landtagswahl erfolgreich abzuschneiden.
Genügend Angriffspunkte bietet die eigene schwarz-gelbe Koalition in
Berlin ja. Groteskerweise mehr als die Opposition. Dass der
Ministerpräsident nun zum wiederholten Male Karl-Theodor zu
Guttenberg aus der Versenkung holen will, bestärkt auch nur den
Eindruck, dass hinter der neuen Vernunft-Fassade doch noch „Crazy
Horst“ steckt. So hat sich Seehofer auf dem Parteitag selbst genannt.
Für alle etwas, in der Hoffnung, dass der Aufwind der CSU nicht
nachlässt. Mit dem Namen Guttenberg zu spielen, gehört dazu. Offenbar
gibt es in Bayern nach wie vor eine große Fangemeinde des geschassten
Freiherrn, denen der Parteichef immer mal wieder freundlich zuwinkt.
Dass ein Comeback Guttenbergs aber zum Wagnis werden würde, liegt auf
der Hand: Für viele andere Menschen ist der Plagiatsminister nach wie
vor politisch nicht reaktivierbar. Außerdem sortiert sich derzeit in
der CSU das Machtgefüge hinter dem Parteichef neu, und zwar durch den
Konkurrenzkampf der selbstbewussten Kronprinzen. Sie wollen von dem
Adligen erst Recht nichts wissen. Eine Rückkehr Guttenbergs könnte
daher auch die CSU vor eine Zerreißprobe stellen.
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