Lausitzer Rundschau: Der schwache Präsident Zu den anhaltenden Vorwürfen gegen Christian Wulff

Christian Wulff will nicht den Köhler machen. Dazu
ist das Staatsoberhaupt nach eigenem Bekunden wild entschlossen. Ob
das eine gute Nachricht ist, muss sich aber erst noch erweisen. Fest
steht, dass die Kredit-Affäre des amtierenden Bundespräsidenten mehr
Fragen aufwirft, als Wulff derzeit bereit ist, darauf erschöpfende
Antworten zu geben. Das wirft auf ihn und auf sein Amt auf jeden Fall
moralisch ein schlechtes Licht. Gerade weil der Bundespräsident über
den Parteien schwebt, also eine politisch unabhängige Instanz ist,
muss er über jeden Verdacht der Kungelei oder gar Erpressbarkeit
erhaben sein. Wulffs Umgang mit dem Fall befördert diese Überzeugung
nicht. Er schadet ihr eher. Nur scheibchenweise hat Wulff eine
private Geschäftsbeziehung zu dem Unternehmerpaar Geerkens
eingeräumt. Nach diesem Muster könnten auch noch weitere „Leichen“ im
Keller liegen. Wulff hat Glück, dass weder die schwarz-gelbe
Koalition noch die Oppositionsparteien ein gesteigertes Interesse
daran haben, ihn in die Wüste zu schicken. Mit der Euro-Krise und der
Koalitionskrise – siehe FDP – gibt es wahrlich schon genug politische
Probleme, an denen man sich abarbeiten kann. So wird viel davon
abhängen, wie reißfest Wulffs Nervenkostüm tatsächlich ist. Sein
Vorgänger Horst Köhler hatte seinen Blitz-Rücktritt unter anderem
damit begründet, dass er den notwendigen Respekt vor dem höchsten
Staatsamt vermisse. Dieser Respekt, das hat die Kreditaffäre gezeigt,
ist auch Wulff abhanden gekommen. Selbst wenn er die Vorgänge am Ende
im Amt übersteht – viel Staat ist mit diesem Staatsoberhaupt nicht
mehr zu machen.

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