Lausitzer Rundschau: Die Bundekanzlerin und die Eurobonds / Merkels Kriegstrommeln

Mit ihr werde es keine gesamtschuldnerische
Haftung in Europa geben, sagte Angela Merkel am Mittwoch im
Bundestag. Am Vortag soll sie intern sogar hinzugefügt haben: „So
lange ich lebe.“ Es war die Einstimmung auf den heutigen EU-Gipfel.
Kriegstrommelei. Möge die Kanzlerin lange leben – und mag die
gemeinschaftliche Schuldenhaftung trotzdem kommen. Merkels Argumente
sind im Prinzip zwar richtig: Jeder muss für seine Schulden gerade
stehen; wir wollen nicht für die Verschwendung der Südländer zahlen;
Eurobonds sorgen nur dafür, dass der Reform-Elan schlagartig
erlischt. Und trotzdem ist diese Position nicht mehr haltbar. Es geht
nämlich längst nicht mehr um ordnungspolitische Prinzipienhuberei.
Das Kind Euro-Stabilität ist bereits in den Brunnen gefallen. Auch
mit deutschem Zutun, mindestens unter klammheimlicher Duldung erst
Kohls, dann Schröders, sogar Merkels. Die weichen
Maastricht-Kriterien, die Aufnahme Griechenlands, die mangelnde
Umsetzung des Stabilitätspaktes, die eigene Verschuldung – man hat
das alles gewusst, mindestens wissen können. Jetzt ist die Waage
gekippt. Anders als Deutschland haben die Südländer nicht die
Wirtschaftskraft, um bei Zinsraten von sieben, zehn und mehr Prozent
je wieder aus der Abwärtsspirale herauszukommen. Deutschland zahlt
nun kaum über null Prozent Zinsen. Um ein anderes Bild zu gebrauchen:
Die Maus Griechenland kann noch so sehr strampeln, aus dieser Milch
wird keine Butter mehr. Sie ersäuft. Und vielleicht nicht nur
Griechenland. Dann haben auch wir ein gewaltiges Problem. Erst mit
unserem Export, dann mit unserer Bonität. Freilich steckt hinter der
Debatte um Eurobonds in gewisser Weise auch ein Streit um des Kaisers
Bart. Würde man jetzt und bedingungslos Schulden vergemeinschaften,
um den Zinsdruck zu mindern, dann würde all das eintreten, was Merkel
und auch Bundsbankpräsident Jens Weidmann befürchten. Dann würde man
in der Tat den letzten Schritt zuerst machen. Das aber will niemand.
Der Vorwurf ist ein Popanz. Beim Gipfel in Brüssel liegt heute ein
Papier vor, indem die Ausgabe gemeinsamer Schulden „abhängig vom
Fortschritt bei der fiskalischen Integration“ empfohlen wird. Also
abhängig vom Durchgriffsrecht auf die Haushalte jedes
Mitgliedslandes. Erst die Fiskalunion, dann die Schuldenunion. Nur in
dieser Reihenfolge geht es. Es ist richtig, wenn Merkel auf dieser
Reihenfolge besteht. Aber in dieser Reihenfolge muss es dann auch
kommen. Und zwar möglichst weit vor ihrem Ableben.

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