Dass es die kalte Progression gibt und dass sie
ungerecht ist, das wusste man schon immer. Durch den steilen Anstieg
der Steuerbelastungskurve kommen die Bürger mit jeder Gehaltserhöhung
in eine höhere Besteuerungsklasse – schon der Inflationsausgleich
bringt Arbeitnehmer und Angestellte dem Höchststeuersatz immer näher.
Diesen Mechanismus kannte auch die schwarz-gelbe Koalition. Aber die
CDU, allen voran Wolfgang Schäuble, wollte eine Reform nicht.
Scheinbar hat Schäuble eingelenkt, scheinbar kann FDP-Chef Philipp
Rösler den Seinen endlich liefern, was er bei seiner Wahl im Mai
versprach: Steuersenkungen. Doch Schäuble hat in Wirklichkeit nur
einen Koffer mit Zeitungsschnipseln übergeben. Das fängt schon damit
an, dass die CSU in den Vorschlag nicht eingebunden war und nun beim
Koalitionsgipfel von der FDP einen hohen Preis dafür fordern wird.
Vor allem aber ist klar, dass der Bundesrat der Entlastung nicht
zustimmen wird. Selbst die meisten CDU-Ministerpräsidenten können
sich die Steuerausfälle in ihren Ländern und Städten nicht leisten,
und die Phalanx der rot-grünen Regierungen wird das Projekt ohnehin
scheitern lassen. Zwar wird die Koalition die Nein-Sager zu Recht
öffentlich fragen, ob und warum sie die Ungerechtigkeit der kalten
Progression nicht beseitigen wollen. Union und FDP werden damit sogar
Wahlkämpfe machen können. Doch ist das Druck- und
Überzeugungspotenzial einer solchen Kampagne nicht eben hoch.
Erstens, weil die Koalition selbst so lange gewartet hat und
zweitens, weil sich die Bürger inzwischen mehr um die Stabilität des
Euro sorgen als um die Frage, ob sie monatlich so etwas wie den
Gegenwert einer Currywurst mit Pommes mehr im Portemonnaie haben oder
nicht.
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