Lausitzer Rundschau: Linke einigt sich auf Parteiprogramm

Die Linkspartei müsste eigentlich Hochkonjunktur
haben. Der Kapitalismus ist in der Krise, die Finanzmärkte spielen
verrückt, und zahlen muss wie immer der „kleine Mann“. Davor warnt
die Linke schon seit Jahren. Trotz alledem steckt sie selbst in der
Krise. Woran das liegt? An den innerparteilichen Streitereien
natürlich. Und sicher auch daran, dass die vor vier Jahren neu
gegründete Partei mangels programmatischer Grundsätze nur eine vage
Richtung kannte. Auf ihrem Parteitag in Erfurt nun gelang das fast
schon Unmögliche: Die Linke hat endlich ein Grundsatzprogramm. Und
ja, möglich wurde das nur, weil sich die verfeindeten Parteiflügel
zum Kompromiss durchgerungen haben. Allerdings ist der Realitätssinn
dabei auf der Strecke geblieben. Die linke Programmwelt kennt kaum
Zwischentöne, nur Schwarz und Weiß, nur Gut und Böse. Gezeichnet wird
das Bild einer durch und durch finsteren Gesellschaft, in der die
Armut grassiert und der Markt sein Unwesen treibt. In dieser
furchtbaren Welt scheinen auch Reformen zwecklos zu sein. So gehört
der Kapitalismus letztlich abgeschafft. Als Rettung winkt ein
Sozialismus, zweiter Versuch, mit streng regulierter Wirtschaft,
verstaatlichten Banken, ganz viel Demokratie und noch mehr sozialer
Gerechtigkeit. Doch keine Sorge. Wenn es der Linken mit diesem
Programm wirklich ernst ist, wird sie nie in die Verlegenheit kommen,
ihre „bessere Welt“ durchzusetzen. Denn die Linke ist wohl die
einzige Partei, die in ihrem Programm freimütig auf eine
Regierungsteilhabe verzichtet. Zum Beispiel dann, wenn sich die
Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes verschlechtert, oder
Sozialabbau droht. Diese politische Selbstfesselung zeugt von einem
tiefen innerparteilichen Misstrauen. Formal gesehen mag das Programm
Fundamentalisten und Reformer geeint haben. Doch war die innere
Aversion zu spüren, mit der sie die Hand dafür hoben. Den einen ist
der Text nicht radikal genug, die anderen halten ihn für weit
überzogen. Beide Lager eint aber die Schwäche, keinen klaren
Trennungsstrich ziehen zu können. Die PDS, Vorgängerpartei der
Linken, war da schon mal weiter: Sie hatte die radikalen Kräfte um
Leute wie Sahra Wagenknecht marginalisiert. Jetzt trägt das Programm
der Linken die radikale Handschrift von ihr und Oskar Lafontaine. Ob
die Partei so voran kommt, ist zweifelhaft. Was sollen die Bürger mit
einer Linken anfangen, die sich in revolutionärer Kraftmeierei
erschöpft, den Anspruch der alleinigen Wahrheit erhebt und in
radikaler Opposition gefällt? Auch ist das Führungsproblem der Linken
nach wie vor ungelöst. Schon dieser Umstand könnte die in Erfurt
beinahe inflationär beschworene Eintracht schnell wieder zunichte
machen. 

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