Überflussgesellschaft, Wegwerfmentalität, das sind
die Schlagworte, mit denen Verbraucherministerin Ilse Aigner am
Dienstag versucht hat, die Lebensmittelverschwendung in Deutschland
zu erklären. Dass dem so ist, weiß man jedoch, seit die
Tante-Emma-Läden von den Supermarktketten verdrängt wurden und man
sich an jeder Ecke mit Pizza, Pommes und Burgern vollstopfen kann.
Alles immer verfügbar zu haben und auf nichts wirklich verzichten zu
müssen, das ist nun mal auch Wesen und Anspruch der modernen
Industriegesellschaft. Das mag man gut finden oder schlecht. Ändern
lässt es sich nicht. Was also bleibt nach der Feststellung, dass eine
Wegwerfgesellschaft leider viel zu sinnlos wegwirft? Die Politik kann
weder Einkaufszettel mit gesunden Produkten vorschreiben noch
anordnen, wie groß die Packungen sein müssen, damit sie für Singles,
kleine oder größere Familien geeignet sind. In der Tat muss jeder
Verbraucher erst einmal mit sich selbst ins Gericht gehen, ob er mit
Lebensmitteln richtig umgeht und ob er sie genug wertschätzt.
Aufklärungskampagnen, wie sie Aigner plant, sind hilfreich. Ihr
mahnender Hinweis jedoch, dass anderswo Menschen hungern, während
hierzulande Obst, Gemüse und Fleisch in die Tonne wandern, ist
geradezu albern. Kein Brot, das in Deutschland weniger gebacken wird,
lindert das Leid von Menschen in den Entwicklungsländern. Um das
weltweite Ernährungsproblem zu lösen, muss wahrlich noch an ganz
anderen Rädern politisch gedreht werden als ausschließlich am
Wegwerfverhalten der Bundesbürger. Obendrein ist bemerkenswert, dass
Aigner sich so stur weigert, den irrigen Begriff
„Mindesthaltbarkeitsdatum“ endlich von den Verpackungen zu verbannen
und durch eine logischere, für Otto-Normal-Verbraucher auch
nachvollziehbare Formulierung zu ersetzen. Gute Vorschläge wie
„schmeckt am besten bis“ gibt es. Das hinterlässt den Eindruck, dass
sich die Ministerin mit der so mächtigen Lebensmittelindustrie nicht
wirklich anlegen will. Wirtschaft und Handel profitieren schließlich
davon, dass viele Verbraucher die Angabe missverstehen. Das Wegwerfen
von Nahrung durch die Kundschaft gehört zum Geschäftsmodell der
Konzerne. Genauso übrigens wie der Umstand, dass die Industrie
offenbar versucht, Kinder möglichst rasch an ungesunde Produkte zu
binden, weil diese Art von Lebensmitteln schlichtweg profitabler ist.
Oder aber bewusst die Verbraucher durch falsche Angaben und
Etikettenschwindel täuscht. Und wenn dann auch noch Obst oder Gemüse
mit kleinen Fehlern vernichtet wird, weil es nicht den überzogenen
Normen der EU oder des Handels entspricht, dann hat die Politik auch
noch vor der eigenen Tür zu kehren. Es gibt somit noch viel zu tun
für einen Mentalitätswechsel, und das nicht nur bei den Verbrauchern.
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