Lausitzer Rundschau: Was vom Fußball-Fest in Polen und in der Ukraine bleibt / Das Erbe der EM

Der Süden siegte. Sportlich haben Spanier und
Italiener die Fußball-Europameisterschaft dominiert. Gewonnen hat
aber vor allem der Osten. Die Gastgeber Polen und Ukraine können nach
ihrem EM-Abenteuer ein zufriedenes Fazit ziehen. Man muss mit dem
Jubel nicht so weit gehen wie Michel Platini. Der UEFA-Präsident ist
schon von Amts wegen dazu verpflichtet, alles „fantastisch“ zu
finden. So formulierte er es in seiner EM-Bilanz. Mit einem Satz aber
hatte Platini zweifellos recht: „Noch nie hat eine EM ein solch
wichtiges Erbe hinterlassen.“ Für viele Menschen im Westen des
Kontinents endet Europa noch immer an der Oder. Dabei ist seit dem
Mauerfall bald ein Vierteljahrhundert vergangen. Und dennoch: Wen in
Amsterdam oder Hamburg interessiert schon das polnische Posen? Dabei
liegt die boomende Wirtschaftsmetropole mit ihrer schönen Altstadt
gerade einmal 250 Kilometer östlich von Berlin. „Nehmt uns endlich
wahr!“, forderten die Menschen dort vor der EM. Nun wurden sie
wahrgenommen. Es waren nur wenige Fußball-Wochen. Aber es bleibt
etwas haften von dieser gut organisierten EM mit ihrer wunderbaren
Stimmung. Schon richtig: Negatives bleibt meist leichter haften.
Polen wird auch als Land der Hooligans in Erinnerung bleiben. Es ist
bitter, dass einige Dutzend Idioten ein fröhlich feierndes Volk in
Misskredit bringen können. Auch das Ansehen der Ukraine hat gelitten.
Nicht wegen der EM, sondern wegen der dortigen Politik. Plötzlich
stand das Land, in dem ein machtgieriger Präsident regiert, im
Mittelpunkt des europäischen Interesses. Der Fall der inhaftierten
Oppositionsführerin Julia Timoschenko wird auch weiterhin Aufsehen
erregen. Nehmen wir es als Chance! Die Krise zwingt die EU und die
Ukraine dazu, ihr Verhältnis zu klären. Eine echte Annäherung kann es
nur bei einem fundamentalen Wandel in Kiew geben. Ob es dazu kommt,
ist schwer vorherzusehen. Im Herbst stehen Parlamentswahlen an.
Wirtschaftlich und finanziell taumelt das Land am Abgrund entlang.
Die Wirklichkeit könnte Staatschef Viktor Janukowitsch zum Einlenken
zwingen. Sicher ist das nicht. Zu wünschen wäre es vor allem den
Menschen in der Ukraine. Sie haben sich bei dieser EM, ebenso wie
ihre polnischen Nachbarn, als wunderbar gastfreundliches Volk
gezeigt. Sie streben nach Europa, und sie sollten willkommen sein –
trotz ihres Präsidenten.

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de