Lausitzer Rundschau: Zum Bundesparteitag der CDU in Hannover / Tanz um sich selbst

Regierung ist Alltag, Kompromiss und Sachzwang.
Partei hingegen, das sind Emotionen, Grundsätze, Visionen. Von jeher
drängt das auseinander, und von jeher versuchen die Regierenden, es
zusammenzuhalten. Wo sie es nicht schaffen, wie Gerhard Schröder bei
der Agenda 2010, ist auch die Macht bald verloren. Aber was ist, wenn
sie es zu gut schaffen, so wie Angela Merkel? Sie ist
Parteivorsitzende seit zwölf Jahren, Kanzlerin seit sieben. Vor ihr
hat nur Helmut Kohl es vermocht, die CDU so sehr auf eine Rolle als
dienende, jubelnde Regierungspartei zuzuschneiden. Der Hannoveraner
Parteitag war am Dienstag eine Krönungsmesse, die erneute symbolische
Vermählung von Kanzlerin und Partei vor einer entscheidenden
Wahlschlacht. Die CDU setzt nun alles auf diese Frau. Aber, das ist
das Risiko, die Leute werden auch Merkels irgendwann überdrüssig
werden. Das zweite Problem: Wenn die Verbindung so eng ist, fehlt der
Regierung der Impuls. Beispiel Außenpolitik: Große Fragen türmen sich
hier auf und rufen geradezu nach einer Positionsbestimmung einer so
wichtigen Partei in einem so bedeutenden Land. Etwa die Verschiebung
der globalen Machtverhältnisse, die Islamisierung in der arabischen
Welt oder das Vorrücken autokratischer Strukturen in Osteuropa. Doch
die Union wartet, was Merkel sagt, und die sagt nichts, weil sie im
Alltag des außenpolitischen Kleinkrams steckt. Beispiel Innenpolitik:
Wie beantwortet die CDU mittelfristig die alles überragende
gesellschaftspolitische Frage der Bewältigung des demografischen
Wandels? Und wie geht sie mit der zentralen wirtschaftspolitischen
Frage um, wovon die Deutschen in 20, 30 Jahren leben sollen, wenn die
Chinesen auch Luxusautos und Maschinen bauen können? Welche
Reform-Agenda 2020 hat die CDU? Angela Merkel selbst trägt hier wenig
bei, sie muss Kanzlerin für alle sein. Aber sie könnte die Debatte in
ihrer Partei ein Stück vorauslaufen lassen, und, wo die Partei nicht
will, sie sogar vorausschicken. Das tut sie nicht. Das tat sie erst
recht nicht in Hannover, nicht zum Start des Wahlkampfjahres. Die
vergleichsweise belanglose Spezialdiskussion um die Gleichstellung
homosexueller Partnerschaften im Steuerrecht war nur ein
Ersatzspielplatz für die Basis. Alles andere wurde bis ins Kleinste
vorgeklärt. So kreisen die Kanzlerin und ihre Partei immer enger um
sich selbst. Harmonisch anzuschauen. Und doch stellt sich die Frage,
ob auch das Land dabei vorankommt.

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