Mindener Tageblatt: Kommentar zu: „Aus für die Financial Times Deutschland“ Kein Anlass für Grabreden

Jüngst die „Frankfurter Rundschau“, nun die
„Financial Times Deutschland“. Innerhalb kurzer Zeit sind zwei
renommierte überregionale deutsche Tageszeitungen von ihren Besitzern
aufgegeben worden, die Branche reagiert aufgewühlt. Zwar handelt es
sich in beiden Fällen um Entscheidungen, die wegen der dauerhaften
Unwirtschaftlichkeit der Titel seit Langem absehbar waren. Doch
fallen sie in eine Zeit wachsender (Selbst-)Verunsicherung. In vielen
Redaktionen macht sich Weltuntergangsstimmung breit, von
Zeitungskrise, gar vom allgemeinen Zeitungssterben ist die Rede. Das
wird, teils besserwisserisch bis hämisch, begleitet von den Propheten
der digitalen Revolution, die das angeblich unausweichliche Ende der
„Totholzmedien“ schon lange beschwören. Richtig ist: Die gedruckte
Zeitung hat Probleme. Sie verliert, langsam aber stetig, an Auflage
wie an Anzeigenvolumen. Dazu trägt – auch – das Internet bei. Hierhin
ist bereits ein großer Teil der Rubrikenanzeigen abgewandert, immer
mehr Werbeetats folgen. Viele der von Zeitungen angebotenen
Informationen sind hier schneller verfügbar und meist noch kostenlos
zu finden. Zwar sind die Zeitungen mit ihren eigenen Online-Angeboten
sehr erfolgreich, haben aber noch kein überzeugendes Geschäftsmodell
entwickeln können. Sie arbeiten dran. Doch ist die digitale
Konkurrenz nur die halbe Wahrheit. Stärker als der technische
Fortschritt macht der gesellschaftliche Wandel zu schaffen,
demografisch wie kulturell. Die Stichworte Alterspyramide, Migration,
Mediennutzung, Lesekultur, aber auch gesellschaftliches Engagement,
soziale Lebenszusammenhänge und weitere mehr umreißen ein komplexes
Wirkungsfeld. In dem muss sich die Zeitung – auch und gerade die
klassische Lokalzeitung, die derzeit noch am wenigsten Probleme hat –
nicht nur bewähren, sondern quasi neu erfinden. Und zwar als
Begleiter und Agent des Wandels, nicht als Ignorant und Blockierer.
In Wirklichkeit ist der gesellschaftliche Bedarf an der
Dienstleistung Journalismus größer denn je. Der in die immer
unübersichtlichere Informationsflut geworfene Mensch braucht
verlässliche Leuchttürme und Navigationshilfen, auch
Gesprächsplattformen. Digital – aber sicher auch gedruckt, denn diese
Form der Informationsverarbeitung hat immer noch unschlagbare
Vorteile. Grabreden sind deshalb voreilig: Tatsächlich hat die
Zeitung ihre Zukunft noch vor sich. Auf dem Weg dahin wird es
allerdings wohl noch den einen oder anderen Titel dahinraffen, der
sich auf diesem herausfordernden Markt nicht behaupten konnte. Nichts
Neues, eigentlich.

Pressekontakt:
Mindener Tageblatt
Christoph Pepper
Telefon: (0571) 882-/-248
chp@mt-online.de