Mindener Tageblatt: Kommentar zu: Ein Jahr Fukushima / Blick in den Abgrund

Als vor einem Jahr vor Japan die See bebte und ein
gewaltiger Tsunami ganze Küstenstriche zerschmetterte, ereignete sich
weit mehr als eine furchtbare Naturkatastrophe. Natürlich, die
zehntausende Toten und die verheerenden Verwüstungen waren ein
neuerlicher grausamer Tribut an die tektonisch labile Lage des
Inselstaats, wie ihn die gnadenlose Natur im Lauf der Geschichte
schon mehrfach gefordert hatte. Sie wird das auch in Zukunft tun.
Doch die in der Folge havarierenden Atommeiler führten der Menschheit
ein Vierteljahrhundert nach Tschernobyl ein weiteres Mal drastisch
vor Augen, an welchem Abgrund sie mit dieser angeblich so sicheren
und so sauberen Technologie hantiert. Erst recht dann, wenn sie es an
Orten wie Fukushima tut. Zur Natur- kam die menschengemachte
Zivilisationskatastrophe. Prompt drängte die sich schnell weltweit
ausbreitende Furcht vor den Folgen des nuklearen Desasters die
Wahrnehmung der humanitären Tragödie in den Hintergrund. Doch mit dem
sinkenden Krisenbogen der Medienberichterstattung schwand vielerorts
auch die Bereitschaft, grundsätzlich über Kosten und Risiken des
energiehungrigen menschlichen Lebensstils im 21. jahrhundert
nachzudenken. Ein Jahr danach ist die flächendeckende Panik längst
wieder abgeflaut. Die Kernenergie wird rund um die Erde mit wenigen
Ausnahmen kaum irgendwo grundsätzlich politisch in Frage gestellt.
Eine ist Deutschland. Kein Land zog so radikale und so rasche
Konsequenzen aus „Fukushima“. Die Vollgas-Kehrtwende weg vom gerade
noch beschlossenen Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg hin zu dessen
rasanter Beschleunigung und dem Übergang zur weitgehenden Versorgung
mit erneuerbaren Energien hat ihre Bewährungsprobe in der Praxis
allerdings noch vor sich. Doch selbst wenn–s klappt – aus den
gemeinsamen Risiken der europäisch wie global weiterhin betriebenen
Nuklearwirtschaft kann sich auch eine atomfreie Zone D nicht
ausklinken.

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