Einer der Hauptkritikpunkte Politikverdossener ist
mangelnde Transparenz. Kungelrunden und Küchenkabinette, so der
Vorwurf, bestimmten in Wirklichkeit, nicht die demokratischen
Instanzen. Richtig daran ist, dass im hochkomplexen Politikbetrieb
unserer Tage allein mit dem Grundgesetz als Betriebshandbuch
buchstäblich kein Staat zu machen wäre. Formal korrekt geht es
trotzdem zu, darauf achten schon die Opposition und die Karlsruher
Aufsicht. Doch mögen Gremienbeschlüsse für juristische Legitimation
hinreichen, so braucht breite politische Akzeptanz bedeutend mehr.
Vor allem Öffentlichkeit. Insofern war die Kanzlerin gut beraten,
sich ihren Verhandlungsauftrag für den Euro-Gipfel noch einmal vom
gesamten Bundestag in öffentlicher Debatte absegnen zu lassen. Und
das Parlament zu voreilig in der Selbstaufgabe seiner Rechte, als es
in der Zukunft eventuell notwendig werdende Blitzenscheidungen über
die Anwendung des Euro-Rettungsschirms einem Mini-Gremium aus seinen
Reihen überlassen wollte. Das jetzt vom Verfassungsgericht auf Antrag
zweier Abgeordneter kassierte Verfahren mag das praktikabelste
gewesen sein; dem Auftrag des Parlaments angemessen war es nicht.
Jetzt wird ein neuer Weg gefunden werden müssen, der Regierung das
Handeln auch unter Zeitdruck zu ermöglichen, ohne dem Bundestag sein
Mitspracherecht zu nehmen – aber tunlichst auch ohne den Zwang zur
Einberufung einer Plenarsitzung aller 620 Volksvertreter. Zweifellos
hat der Bundestag in den jüngsten europäischen Stürmen eine
Aufwertung seiner Rolle als Volksvertretung erfahren. Er sollte die
Gunst der Stunde nutzen, seinen Einfluss auf den Politikbetrieb
deutlicher zu machen. Das mag diesen an der einen oder anderen Stelle
zusätzlich komplizieren. Seinem unter zunehmendem Akzeptanzverlust
leidenden Ansehen würde es aufhelfen.
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