Der flexible Betrieb von deutschen Atomkraftwerken
ist gefährlicher als bislang angenommen. Das berichtet das
ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ in seiner Sendung am Montag, 21.
März, 21.45 Uhr im Ersten. Das Magazin beruft sich auf die bisher
unveröffentlichte Studie „Sicherheitsrisiken des Lastfolgebetriebs
von Kernkraftwerken“. Die Arbeit beschreibt das Gefährdungspotential,
das sich durch schnelles Hoch- und Runterfahren der Reaktoren, den
sogenannten Lastfolgebetrieb, ergibt.
Autor der Studie ist Wolfgang Renneberg. Er war bis Ende 2009
Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium.
Die Studie wurde im Juni 2010 von Greenpeace in Auftrag gegeben und
liegt „Report Mainz“ exklusiv vor. Das Magazin veröffentlicht sie auf
seiner Homepage unter www.reportmainz.de. Der Studie zufolge führen
die Lastwechsel dazu, dass „das Risiko des Betriebs weiter erhöht
wird, weil es häufiger zu sicherheitsrelevanten Ausfällen und Schäden
kommen wird, die sich auch zu gravierenden Störfällen entwickeln
können.“ Der Lastfolgebetrieb bedeute einen „Dauerstress“ für die
Kernkraftwerke, der schneller zu Materialermüdung, Korrosion und
Rissen führe.
Gegenüber „Report Mainz“ erklärte Wolfgang Renneberg: „Dadurch
besteht die Gefahr, dass es häufiger zu Störfällen kommt, dass
Ereignisse, die sonst möglicherweise harmlos sind, gefährlicher
werden können und insgesamt das Risiko beim Betrieb der alten Anlagen
nochmals steigt.“
Tobias Münchmeyer, der Atomexperte von Greenpeace, der die Studie
in Auftrag gegeben hatte, erklärt: „Wir sehen ein erhöhtes
Sicherheitsrisiko durch diesen Dauerstress. Diese Materialien stehen
unter einem ganz hohen Druck, unter ganz hohen Temperaturen. Und
diese zusätzlichen Wechsel, die niemals vorgesehen wurden, als die
Reaktoren gebaut wurden, die führen natürlich zu erhöhten
Sicherheitsproblemen.“
Des Weiteren erklärt Renneberg, die deutschen Atomkraftwerke seien
für den Volllastbetrieb ausgelegt. Anforderungen, die sich aus dem
Wechselbetrieb ergeben, seien in den ursprünglichen Genehmigungen
nicht geprüft worden.
Der frühere Vattenfall-Reaktor-Konstrukteur Lars Olov Höglund
bestätigt Rennebergs Befunde. Im Interview mit „Report Mainz“ erklärt
er: „Man kann die Kraftwerke hoch- und runterfahren, aber sie sind
nicht dafür gedacht. Sie sollen in Volllast laufen oder abgestellt
werden. Das ist das, wofür sie ausgelegt sind. Das mit dem Hoch- und
Runterfahren, das ist nur eine Möglichkeit, aber das ist nicht zu
empfehlen.“
Von Bundesumweltminister Norbert Röttgen fordert Wolfgang
Renneberg: „Das Bundesumweltministerium muss dieses Thema endlich
begreifen. Es muss es begreifen als ein Thema, was
sicherheitstechnisch relevant ist und was das Risiko des Betriebs der
Reaktoren, insbesondere der alten Reaktoren, vergrößern kann.“
In Zukunft wird es immer häufiger zu Lastwechseln kommen, weil die
Betreiber auf zunehmende Angebots- und Nachfrageschwankungen
reagieren müssen. Die Atomkraftwerke sind gesetzlich dazu
verpflichtet, bei einem Stromüberangebot die Produktion herunter zu
fahren. Vorrang bei der Einspeisung ins Netz haben erneuerbare
Energien. Wind- und Sonnenenergie liefern zu Spitzenzeiten so viel
Strom, dass Atomkraftwerke schon jetzt immer öfter gedrosselt werden
müssen. Das bestätigt Peter Ahmels, Leiter der Abteilung „Erneuerbare
Energien“ der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber „Report Mainz“:
„Wir werden in einem System, wo wir erheblich mehr erneuerbare
Energie haben, auch unter anderem Photovoltaik, die mittags
einspeist, wenn die Sonne scheint, werden wir 100, 150 Tage im Jahr
haben, wo eigentlich kein Kraftwerk mehr am Netz sein muss. Es kann
komplett aus erneuerbaren Energien kommen.“
Zitate gegen Quellenangabe frei.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an „Report Mainz“, Tel.:
06131/929-3351.