Das Wort ist groß, aber es ist nichts weniger
als eine Revolution, die Großbritannien zur Zeit durchmacht. Der
einflussreichste Pressezar des Landes musste kapitulieren. Rupert
Murdoch, der Besitzer des Medienkonzerns News Corp., sieht sich einer
breiten Front von aufgebrachter Öffentlichkeit und entschlossenen
Politikern gegenüber. Die Kosten bisher: Eine Zeitung wurde
dichtgemacht und die geplante Übernahme der Fernsehkette BSkyB
abgeblasen. Schlimmeres könnte folgen, wenn nachgewiesen werden kann,
dass auch andere Zeitungen seines Imperiums kriminell gehandelt
haben. Das könnte zum Platzverbot für Murdoch auf dem britischen
Markt führen. Den Stein ins Rollen brachte ein Detail. Schon seit
Jahren wusste man, dass sich Reporter der Murdoch-Postille „News of
the World“ illegal in die Mailboxen von Handys eingehackt hatten.
Aber da es anscheinend nur Promis traf – von den Royals über
Fußballer bis zu Schauspielern – war die Öffentlichkeit mehr an
pikanten Nachrichten interessiert, anstatt sich über illegale
Praktiken zu entrüsten. Aber dann wurde bekannt, dass auch das Handy
von Milly Dowler gehackt wurde: ein 13-jähriges Schulmädchen, das
entführt, missbraucht und getötet wurde. Die Öffentlichkeit war
entsetzt. Und der Abhörskandal löste einen Erdrutsch aus. Jetzt,
keine zwei Wochen später, ist Murdoch, den vor kurzem noch alle
fürchteten, zur Unperson geworden. Die Regierung hat eine
Untersuchungskommission in die Vorgänge unter Vorsitz eines Richters
eingesetzt. Die Polizei führt verschiedene Ermittlungsverfahren. Ein
parlamentarischer Ausschuss will in der nächsten Woche Rupert
Murdoch, seinen Sohn James und die ehemalige Chefredakteurin Rebbekah
Brooks befragen. Die Rolle der „Press Complaints Commission“, die
bisher in freiwilliger Selbstkontrolle das Gebahren der Medien
überwachte, soll reformiert werden. Man sieht hektische Aktivität an
allen Fronten. Jetzt soll aufgeräumt werden im Augiasstall. Ein wenig
Heuchelei ist auch dabei. Denn keiner sieht in dieser Affäre gut aus.
Die Murdoch-Presse mit ihren Lauschangriffen und Schmiergeldzahlungen
an Polizisten sowieso nicht. Aber auch nicht die Öffentlichkeit, die
sich jetzt so empört, aber jahrelang die Exklusiv-Storys des
Boulevards goutierte. Bei Scotland Yard gibt es schwarze Schafe, die
die Hand aufhielten. Und die Politiker haben aus Angst vor der
Medienmacht von Rupert Murdoch ihn lieber hofiert, als ihn wirksam zu
regulieren. Das schlechte Gewissen erklärt wohl auch den hysterischen
Unterton, der bei den Verdammungen allenthalben zu bemerken ist. Aber
gerade deswegen wird diese Affäre zu weitgehenden Änderungen führen.
Murdochs Einfluss auf die politische Landschaft in Großbritannien
wird verschwinden und umgekehrt werden Politiker eine neue
Transparenz in ihren Beziehungen zu den Medien demonstrieren müssen.
Für die Polizei wird es neue Richtlinien im Umgang mit der Presse
geben. Die freiwillige Selbstkontrolle der Medien wird in Zukunft
wesentlich strenger ausfallen. Und die Öffentlichkeit, das wäre die
ganz große Hoffnung, könnte den Geschmack am Schmuddeljournalismus
verlieren. Das wäre fürwahr eine Revolution.
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