Im christsozialen Bayern hat die Erde gebebt –
doch es liegt nicht in Schutt und Asche. Schlimme, aber nicht die
schlimmsten Befürchtungen der – nun muss man sagen: ehemaligen –
Staatspartei CSU sind wahr geworden. Dass die absolute Mehrheit
unerreichbar sein würde, war klar. Die Demoskopen sahen Söder und
seine Parteifreunde aber zuletzt sogar im völlig freien Fall. 32
Prozent und weniger schienen möglich. Nun wurde die Partei zwar
brutal abgestraft, aber nicht massakriert. Das verdankt sie
ironischerweise den miesen Umfrageergebnissen und Spekulationen über
mögliche Koalitionen. Bayern in den Händen eines zusammengewürfelten,
in Regierungsgeschäften unerfahrenen Bündnisses aus Grünen, SPD,
Freien Wählern und FDP – das war selbst für enttäuschte Konservative
eine zu beunruhigende Vorstellung. Im Freistaat schätzt man
Stabilität. Seit Wochen blicken Politiker und Medien bundesweit
gebannt nach Bayern. Von einer Schicksalswahl, von einer historischen
Wahl war – mal hämisch, mal sorgenvoll – die Rede. Als hinge nicht
nur die Zukunft des Freistaats am Abschneiden der CSU. Und wirklich:
Es bröckelt ja überall. Bundesweit kommt die Union noch auf 26
Prozent. Da müssen Schuldige her. Zuletzt schoss Volker Bouffier von
Hessen aus scharf Richtung CSU. Er machte sicherheitshalber schon
einmal die Schwesterpartei für das wohl noch schlechtere Abschneiden
seiner CDU verantwortlich. Eine kuriose Verdrehung der Tatsachen,
denn laut BR-Umfrage sehen die Bayern in Angela Merkel die
Hauptverantwortliche für den desolaten Zustand der Bundesregierung
und nicht in Horst Seehofer. 68 Prozent sind unzufrieden mit der
Politik der GroKo. Es ist also noch zu klären, ob das Epizentrum in
München oder nicht doch in Berlin liegt. Bayern hat gebebt, aber
alles ist noch am Platz. Es ist an der Zeit, ruhig durchzuatmen, sich
zu sortieren und nach vernünftigen Koalitionen zu suchen. Mit den
Grünen dürfte es schwierig werden. Angefangen bei den beiderseits
heftig geführten Attacken während des Wahlkampfs über Abschiebepraxis
und 10-H-Regel für Windräder bis hin zum Polizeiaufgabengesetz – in
dieser Allianz müssten beide Partner unverdaulich große Kröten
schlucken. Wahrscheinlicher und pragmatischer ist ein Bündnis aus CSU
und Freien Wählern. Hier sind die Schnittmengen am größten. In der
Flüchtlingspolitik verfechten beide einen harten Kurs. Mangels
offensichtlicher Unterschiede wetteiferten Hubert Aiwanger und Markus
Söder im Wahlkampf vor allem darum, wer die meisten Wohltaten unters
Wahlvolk bringen darf. Dieser Köder lockt freilich kaum noch in einem
Bundesland, in dem die Wirtschaft seit zehn Jahren schnurrt, nahezu
Vollbeschäftigung herrscht und die Reallöhne nach langer Zeit wieder
messbar gestiegen sind. In so properen Zeiten kann man auch mit
fluffigen Slogans und Haltung Wahlkampf machen: fröhlich, gerecht,
menschlich. Die Grünen steigen damit gerade zur moralischen
Volkspartei auf – ganz ohne kreuzkatholischen Erlass. Auswirkungen
des Bebens im Süden werden noch zu spüren sein, wenn Natascha Kohnen,
die die SPD in die Bedeutungslosigkeit führte, und CSU-Chef Horst
Seehofer längst politische Geschichte sind. Markus Söder, dessen
Beliebtheitswerte in Bayern zuletzt wieder stiegen, wird zunächst für
Koalitionsverhandlungen gebraucht. Er hat nur wenige Wochen Zeit,
dauerhafte Stabilität herzustellen. Vorher werden die Abgestraften
und Verlierer dieser Wahl ihre Wunde lecken. Das muss sein, denn es
desinfiziert. Dann ist es Zeit, nach vorne zu schauen. Eine
optimistisch stimmende Nachricht gibt es ja auch: Die Wahlbeteiligung
ist gestiegen. Die Demokratie im Land hält einige Erschütterungen
aus.
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