Mittelbayerische Zeitung: Besonnen gegen Trumps Alleingang / Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg

Auf den Ausstieg aus dem Iran-Abkommen durch
Washington muss Europa geschlossen reagieren. Von
US-Sanktionsdrohungen dürfen sich die Europäer nicht einschüchtern
lassen.

Geduld ist ein Baum, dessen Wurzeln bitter sind, dessen Frucht
aber süß ist. Dieses persische Sprichwort sollten die Europäer nach
dem unsinnigen Ausstieg von Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem
Iran beherzigen. Die einseitige Aufkündigung ist ein kapitaler
Fehler. Sie führt zu noch mehr Instabilität im Mittleren und Nahen
Osten und stellt das westliche Bündnis vor eine schwere Zerreißprobe.
Gerade deswegen ist geschlossenes und besonnenes Handeln der Europäer
notwendig. Die EU-Staaten sollten, gemeinsam mit Moskau und Peking,
alles unternehmen, um das Abkommen am Leben zu erhalten. Zugleich
sollten sie sich von Drohungen nicht einschüchtern lassen. Das ist
viel leichter gesagt als getan. Dabei kann es hilfreich sein, erst
einmal nach Trumps Beweggründen für den Ausstieg aus dem
Iran-Abkommen zu fragen. Offiziell gibt der Twitter-Präsident
ausgerechnet darüber sehr wenig preis. Seit dem Wahlkampf
schwadroniert Trump nur über den „schlechtesten Deal aller Zeiten“.
Richtig daran ist, dass das äußerst mühselig über Jahre hinweg
verhandelte Abkommen Lücken hat. Es untersagt Teheran zwar für die
nächsten Jahre die Hochanreicherung von Uran, die für Atomwaffen
notwendig ist. Das Programm für Trägerraketen des Landes wird dagegen
nicht berührt. Dennoch verringert der Kompromiss das Risiko einer
atomaren Aufrüstung des Landes sowie eines atomaren Wettrüstens, etwa
mit Teherans arabischen Erzfeind Saudi-Arabien. Trump unterstützt
zudem bedingungslos den kompromisslosen Kurs des israelischen
Premiers Benjamin Netanjahu, anders als etwa Barack Obama. Sollte
Teheran zur Atommacht aufsteigen, wäre Israel, das selbst Atomwaffen
entwickelte und als Überlebensgarantie besitzt, akut bedroht. Trump
hofft offenbar, mit einer harten Haltung Teheran vollends vom
Atomkurs abbringen zu können. Im Fall von Nordkoreas Diktator Kim
Jong-un scheint diese Taktik möglicherweise aufzugehen. Die
Iran-Politik Trumps zielt aber nicht nur auf einen Politikwechsel des
Mullah-Regimes in der Atomfrage, sondern wohl auch auf einen
tiefgreifenden Systemwechsel. Trump will das klerikale System
überwinden. Ähnlich wie es etwa im Irak mit der Militärinvention
gegen das Regime von Saddam Hussein versucht wurde. Mit allerdings
bis heute nachwirkenden katastrophalen Folgen für die gesamte Region.
Zwar wollen selbst Hardliner in der US-Administration keinen
Militärschlag gegen den Iran, geschweige denn eine Intervention.
Trump und Co. setzen vielmehr auf einen Umsturz aus dem Inneren des
Landes. Doch das könnte sich als schwere Fehleinschätzung erweisen.
Zwar hat der Iran auch nach dem Ende der westlichen Sanktionen 2016
kaum wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen, die Inflation ist hoch und
die Versorgungslage der Menschen ist nicht besser geworden. Dennoch
sitzt das herrschende Mullah-Regime fest im Sattel. Es würde
wahrscheinlich eher liberale Kräfte, wie die um den Präsidenten
Hassan Rohani, entmachten, als selbst von der Macht vertrieben werden
zu können. Das Wiederaufleben von US-Sanktionen gegen Teheran könnte
die zarten Hoffnungen auf einen Aufschwung der iranischen Wirtschaft
sowie des Handels mit Europa extrem erschweren, vielleicht sogar
zunichtemachen. Nicht nur deutsche Firmen, die sich im Iran-Geschäft
engagieren, sind verunsichert. Sie benötigen Zuverlässigkeit. Von
Drohungen aus der US-Administration, wie die vom neuen US-Botschafter
in Berlin, etwa gegen Firmen vorzugehen, die mit dem Iran Handel
treiben und investieren, sollten sich die Europäer nicht
einschüchtern lassen. Washington verfolgt auch wirtschaftliche
Interessen. Iranisches Öl, das an Europäer verkauft wird und den
Weltmarktpreis tendenziell niedrig hält, ist nicht im Sinne Trumps.

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