Mittelbayerische Zeitung: Kreuther Geist beschwipst die CSU

Nichts ist überzeugender als der Erfolg: Die
zweiten guten Umfrageergebnisse binnen 14 Tagen befrieden die CSU und
stärken die Position des bayerischen Ministerpräsidenten – zumindest
vorerst. Parteichef Horst Seehofer weiß, wie schnell ihm wieder
eisiger Wind um die Nase wehen kann, wenn sich die Wählergunst dreht
und das 46-Prozent-Ergebnis bröckelt. Den Kreuther Geist 2011 würde
sich Seehofer gerne in Flaschen abfüllen, um ihn Parteifreunden bei
Bedarf einzuflößen. Seehofer und die CSU verbindet keine innige
Liebe. Es ist in erster Linie eine Zweckgemeinschaft. Der Kapitän ist
an Bord willkommen, solange er die Partei auf Siegeskurs hält. Im
Moment stimmt–s in der Beziehung: Wenn heute Landtagswahl wäre,
müsste kein CSU-Abgeordneter um sein Mandat fürchten. Eine absolute
Mehrheit wäre wieder möglich – oder zur Not eine komfortable Mehrheit
mit der FDP. Doch was mitten in der Legislaturperiode für die
Stimmung viel wichtiger ist: Die CSU-Politiker spüren, dass ihr
Ansehen bei den Bürgern steigt. Sie müssen sich nicht mehr täglich
für ihre Politik abwatschen lassen. Der CSU wird wieder zugetraut,
dass sie die Dinge schon richtig regelt. Die Kompetenzwerte im
aktuellen BayernTrend des Bayerischen Fernsehens belegen das
unmissverständlich. Sogar in der Sozialpolitik, eigentlich Domäne der
SPD, liegt man vorne. Mit dem neuen Vertrauen der Wähler kehrt ein
Teil des alten Selbstbewusstseins zurück, die tiefe Verunsicherung
schwindet. Die Erleichterung war in Kreuth mit Händen zu greifen.
Derart gelöst hat man die CSU-Männer und -Frauen lange nicht erlebt.
Landtagsfraktionschef Georg Schmid – dessen Stuhl vergangenes Jahr
heftig wackelte – war beim fröhlichen Schneeballspiel zu beobachten.
Trotz der von der Parteiführung verordneten Bescheidenheit brach sich
immer wieder die Freude über das Umfragehoch Bahn. Bei Seehofer war
das am klarsten zu beobachten. Für ihn ist es die größte Genugtuung,
dass ihm 56 Prozent eine gute Amtsführung als Ministerpräsident
bescheinigen. Der Hype um Karl-Theodor zu Guttenberg nervt den
Parteichef trotz aller gegenteiliger Beteuerungen. Nun kann er selbst
auftrumpfen. 56 Prozent Zustimmung sind respektabel – vor allem mit
Blick auf die Probleme, die Seehofer bei Amtsantritt vorfand und die
ihn bis heute begleiten. Gleich zu Beginn landete die Finanzaffäre um
die Landesbank auf seinem Tisch, die das Kabinett zum
Zehn-Milliarden-Stützkredit zwang. Die CSU fand nach langer
Alleinherrschaft nur schwer zu friedlicher Koalitionsarbeit. Eine
dünne Finanzdecke engt politische Spielräume ein. Auch im
schwarz-gelben Doppelhaushalt 2011/2012 verstecken sich Kröten. So
müssen Beamte Einschnitte bei ihrer Besoldung hinnehmen. All das
macht eher unbeliebt. Steigende Umfragewerte haben da besonderes
Gewicht. Selbstbewusst reklamiert Seehofer das Verdienst für sich.
Tatsächlich hat er die Partei erneuert und junge Nachwuchskräfte in
Position gebracht. Frauen besetzen Schlüsselpositionen – die CSU
profitiert davon. Eine ganze Riege von Politikerinnen genießt bei
Bürgern höchstes Ansehen: Barbara Stamm, Ilse Aigner, Beate Merk und
Christine Haderthauer besetzen in der Umfrage Platz 3 bis 6. Ist die
CSU also über dem Berg? Die Partei sollte sich am Kreuther Geist
nicht zu sehr beschwipsen. Sie ist nicht nur aus eigener Kraft im
Umfragehoch, sie profitierte auch vom Aufschwung in der deutschen
Wirtschaft – und von der Schwäche der Opposition. 2011 wird für die
CSU so schwierig wie 2010. Noch im Januar wird der Abschlussbericht
des Bayerischen Obersten Rechnungshofes zur Umfrageaffäre in der
Staatskanzlei erwartet. Bestätigt sich der Verdacht der versteckten
Parteienfinanzierung, droht eine deftige Strafzahlung. Die CSU in
Finanznöten – das wäre der erste Belastungstest für die neue
Gelassenheit.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de