Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung zu Guttenberg

Die Demontage des

„Mr. Googleberg“

Affäre Die Entschuldigung von Verteidigungsminister zu Guttenberg
macht die Sache nur noch schlimmer.

Dass der zurzeit Doktortitel-ledige Bundesverteidigungsminister
die Berliner Journalisten düpierte und seine Erklärung feige vor
auserwählten Mikrofonen von sich gab: geschenkt. Zumindest diesen
Schnitzer seiner Öffentlichkeitsarbeit versuchte er mit einer
verspäteten Pressekonferenz zu beheben. Wer dermaßen unter Feuer
steht, kann leicht gute Umgangsformen aus den Augen verlieren. Doch
dass der adelige Minister nur mit einer dürren Entschuldigung an die
Öffentlichkeit trat und die offenkundige Schummelei in seiner
Doktorarbeit als lässliche Sünde abtat, die bei einem überarbeiteten
Juristen, gestressten Abgeordneten und geplagten Familienvater schon
mal vorkommen könne, macht die unappetitliche Sache nur noch
schlimmer. Dem sonst so auf moralische Werte, auf Wahrheit,
Aufrichtigkeit, Ehre und Anstand pochenden „KT“ zu Guttenberg fehlte
gestern vor allem eines: Demut. Mit der Attitüde des zu unrecht
Beschuldigten wischte der blaublütige Oberfranke die massiven
Vorwürfe gegen seine Doktorarbeit vom Tisch. Die von ihm verfasste
Dissertation sei kein Plagiat, verlas der sonst so redegewandte
Minister. Es fehlte eigentlich nur noch der Satz „Ich gebe ihnen mein
Ehrenwort“. Zu Guttenberg versuchte mit seiner merkwürdigen
Selbstverteidigungs-Taktik, den Spieß umzudrehen. Er haben
bestenfalls ein paar kleine Fehler gemacht. Der große und gemeine
Plagiats-Vorwurf jedoch komme von den Anderen, den Gegnern, die dem
beliebtesten deutschen Politiker ans Leder wollen. Zugleich versuchte
zu Guttenberg, sich gewissermaßen zu teilen: Hier der mäßig reuige
Träger eines Doktorhutes, den er großmütig nicht mehr aufsetzen will.
Vorläufig. Dort der pflichtbewusste politisch Verantwortliche der
Bundeswehr. Da ein kleiner Sünder im weiten Feld der Wissenschaft,
aber dort der erfolgreiche Reformer einer verstaubten Armee. Zu
Guttenberg ist offenbar nicht klar, dass solcherart Trennung nicht
funktionieren kann. Ein Politiker, der in seiner wissenschaftlichen
Arbeit im Nachhinein beim Schummeln erwischt wird, ist kein
glaubwürdiger Minister mehr. Als „Mr. Googleberg“ ist er bereits zum
Gespött der Internet-Gemeinde geworden, nun droht der
CSU-Hoffnungsträger an seinen eigenen moralischen Maßstäben zu
scheitern. Dass die Kanzlerin und die übrigen Unions-Granden jedoch
im „vollsten Vertrauen“ hinter dem Nicht-mehr-Doktor stehen, entbehrt
nicht einer gewissen Pikanterie. Solange Merkel den
Verteidigungsminister nicht rauswirft, bleibt es vor allem das
Problem des Ministers. Schickte sie ihn die Wüste, wäre es sofort nur
noch ihr Problem. Sie müsste nicht nur einen Nachfolger suchen,
sondern sich auch des Vorwurfs erwehren, sie habe einen Kronprinzen
gemeuchelt. Ganz ähnlich ist die Situation in der CSU, wo Förderer
Horst Seehofer unbeirrt zu seinem Minister steht. Man lässt einen in
ganz Deutschland überaus beliebten Politiker nicht so einfach fallen.
Auf der anderen Seite kommt manchem in der Union ein etwas gestutzter
Überflieger gar nicht so ungelegen. Hinter dem Pulverdampf um
Guttenbergs Doktorarbeit sollte sich der Minister vor allem um sein
Amt kümmern. Die Nachricht von zwei getöteten Bundeswehrsoldaten in
Afghanistan ging hinter der politischen Aufregung um eine
Doktorarbeit nahezu unter. Und das ist nun wirklich beschämend.

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