Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Transplatations-Skandal

Transplanteure und andere Trickser

Im Bereich der Transplantationsmedizin wird viel verschwiegen,
viel verdunkelt – und viel Geld verdient.

Von Wolfgang Ziegler, MZ

Tricksen, tarnen, täuschen – der deutsche
Transplantations-Skandal, ausgelöst durch offenbar illegale
Machenschaften Regensburger Mediziner, erinnert an das üble Stück
eines Schmierentheaters. Und in dem geht es – man sollte es
angesichts des ernsten Inhalts und der honorigen Besetzung eigentlich
nicht für möglich halten – um nichts anderes als den schnöden Mammon.
Aber nicht nur manche Transplantationsmediziner haben Dollar-Zeichen
in den Augen, wenn sie ein Herz, eine Niere oder eine Leber in Händen
halten. Auch Kliniken, die ein Transplantationszentrum betreiben,
freuen sich über jede neue Organverpflanzung – der weit
überdurchschnittlichen Gewinne wegen. Außerdem lassen hohe
Transplantationszahlen ein Krankenhaus kompetent erscheinen, was
wiederum zahlungskräftiges Klientel aus dem Ausland anzieht, das noch
mehr Geld in die Kassen – und die Portemonnaies der Ärzte – spült. In
Göttingen wurden die Mediziner allem Anschein nach sogar regelrecht
dazu angehalten, möglichst viel zu transplantieren. Jedenfalls
enthielt der Vertrag des inzwischen geschassten Chef-Transplanteurs,
also des früheren Regensburger Oberarztes Dr. Aiman Obed, eine nicht
unwesentliche Leistungskomponente: Für jede Lebertransplantation
bekam er einen Bonus von 2000 Euro – bei 56 Organverpflanzungen im
Jahr 2010 also beachtliche 112 000 Euro. Und in Regensburg? Das
Universitätsklinikum hüllt sich seit Bekanntwerden des Skandals
weitgehend in Schweigen, verbreitet auf seiner Homepage allenfalls
allgemein bekannte Tatsachen und möchte offensichtlich allen Ernstes
glauben machen, die Vorgänge aus den Jahren 2004 bis 2006 wären
definitiv erledigt – obwohl gleichzeitig die Staatsanwaltschaft
Regensburg in eben dieser Causa ermittelt. Nicht einmal die
Aufwandsentschädigung für den umstrittenen „Jordanien-Einsatz“ von
Chef-Chirurg Prof. Dr. Hans J. Schlitt und Dr. Obed wird aus diesem
Grund genannt – obwohl längst bekannt geworden ist, dass die
Mediziner für jeden ihrer insgesamt sieben Eingriffe am
Jordan-Hospital in Amman mit 5000 Euro entlohnt wurden und zudem
Spesen erhielten. Im Bereich der Transplantationsmedizin scheint
diese Vorgehensweise nicht neu zu sein. Vieles wird verschwiegen,
vieles verdunkelt – wie etwa in den mehr als 100 Verdachtsfällen, die
der Prüfungskommission der Bundesärztekammer seit ihrer Gründung im
Jahr 2000 bekannt geworden sind. Auch von ihnen drang nichts „nach
draußen“. Und wenn dennoch einmal Öffentlichkeit hergestellt wurde
wie im Regensburger Fall durch die Dokumentation des damaligen
Kommissionsvorsitzenden Prof. Heinz Angstwurm, wurden die
Ermittlungsergebnisse von anderen Einrichtungen unter den Teppich
gekehrt – von einigen bayerischen Ministerien ebenso wie von der
Landesärztekammer und dem Vorstand des Universitätsklinikums. Eine
ausführliche Prüfung habe damals noch nicht einmal eine
Ordnungswidrigkeit ergeben, verlautete noch gestern vom Uni-Hügel.
Seltsam, dass sich das Klinikum am Freitag vergangener Woche dennoch
selbst angezeigt hat – und die Staatsanwaltschaft daraufhin prompt
Ermittlungen einleitete. Dabei wäre es damals wie heute auch anders
gegangen, wie das Beispiel der Schweiz zeigt. Dort darf das Bundesamt
für Gesundheit Transplantationszentren unangemeldet durchsuchen,
Organe beschlagnahmen und theoretisch sogar Krankenhausabteilungen
schließen – Kompetenzen, die die Prüfungskommission hierzulande
freilich nie hatte. Mit Inkrafttreten des neuen
Transplantationsgesetzes vor wenigen Tagen hat sich dies nun geändert
und die Prüfungskommission deutlich bessere Arbeitsbedingungen und
Interventionsmöglichkeiten. Bleibt nur zu hoffen, dass sie diese
künftig auch zu nutzen weiß.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de