Mittelbayerische Zeitung: Notausstieg Der Rücktritt von Klaus Wowereit als Oberkontrolleur bedeutet keine Problemlösung im Flughafen-Desaster. Von Christine Hochreiter

Bau-Katastrophe und Informationsdesaster in
Berlin: Ein großes Thema für die Wirtschaft – im nächsten Akt des
Dauer-Dramas um den Hauptstadtflughafen „Willy Brandt“. Und das nicht
nur, weil das Mega-Projekt ständig teurer wird. Der ökonomische
Schaden für viele kleine und große Unternehmen ist schon jetzt
beträchtlich. Die Reihe der Geschädigten reicht von Gastronomen,
Hoteliers oder Ladenbesitzern, die ihre bisherigen Flächen gekündigt
haben, und vor dem Nichts stehen, bis hin zu Fluggesellschaften, die
auf das Drehkreuz setzten, und nicht wissen, wie es weitergeht. Die
ohnehin schwer angeschlagene Linie Air Berlin, die die meisten
Passagiere von und nach Berlin befördert, hatte ihren Schaden Ende
des vergangenen Jahres bereits auf mindestens 100 Millionen Euro
beziffert. Und die Bahn wollte mindestens 34 Millionen Euro geltend
machen. „Willy Brandt“ ist inzwischen vor allem aber auch ein Fall
für die Politik. Nach der erneuten Verschiebung des Starttermins geht
es mehr denn je um die Aufklärung von Planungspannen,
(partei-)politischen Verflechtungen und ihre Mitschuld an dem
Missmanagement des Projekts, Verantwortlichkeiten und im Sinne von
Verantwortung auch um Konsequenzen. Aufsichtsratschef Klaus Wowereit
hat die Notbremse gezogen und ist als Oberkontrolleur zurückgetreten.
Nun soll es Stellvertreter Matthias Platzeck richten. Ein Feuerwerk
an Problemlösungen wurde bei dem Krisentreffen offensichtlich nicht
abgeschossen, die Meister über das Desaster haben wohl eher eine
Kerze der Hoffnung angezündet. Am besten wäre es gewesen, wenn auch
Platzeck abgedankt hätte, und die Landesväter von Berlin und
Brandenburg die vier Minister und Staatssekretäre in dem 15-köpfigen
Gremium mitgenommen hätten. Denn am Ende beruht das Problem weniger
auf persönlichem Versagen als auf einem gesellschaftsrechtlichen
Konstruktionsfehler. Dieser dreht sich um die Frage, ob aktive
Politiker sowohl zeitlich als auch von ihrer Kompetenz her in der
Lage sind, eine solche Aufgabe zu erfüllen. Die Antwort dürfte
bereits von den Landesbanken bekannt sein. Schon vor dem Skandal um
die BayernLB hatte die TU Dresden 2008 im Rahmen eines
Forschungsprojekts herausgefunden, dass die Finanzkompetenz der
Aufsichtsräte von Landesbanken schwach ausgeprägt ist. Oft fehle
ihnen dadurch die Kompetenz, ihre Kontrollfunktion effektiv
auszufüllen. Wie es um das bautechnische und planerische Know-how der
Aufsichtsräte der Flughafengesellschaft bestellt ist, will man da
lieber nicht wissen. Die Umfragewerte des Regierenden Bürgermeisters
befinden sich jedenfalls im Sinkflug. Falls der frühere
Hoffnungsträger der SPD schon im Dezember von der erneuten
Terminverschiebung gewusst haben sollte, wird es für ihn auch in
seinem Hauptamt immer enger. Hatte er in seiner Neujahrsansprache
noch versprochen, alle Kräfte zu bündeln, um den Eröffnungstermin im
Oktober 2013 einzuhalten. Doch nicht nur Landespolitiker haben bei
dem Pannenprojekt versagt. Auch der Bund – neben Berlin und
Brandenburg der dritte Gesellschafter der Flughafen Berlin
Brandenburg GmbH (FBB) – hat die Zügel viel zu lange schleifen
lassen. Wohl um vom eigenen Zaudern abzulenken, hat
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Flughafenchef Rainer Schwarz
das Misstrauen ausgesprochen. Computerprobleme, aufgeplatzte Fliesen,
ein unzureichender Brandschutz, ein Notausgang ins Nichts, die lange
Reihe der Peinlichkeiten liefert reichlich Stoff für Häme über die
ach so perfekten Deutschen. Waren wir nicht einmal weltweit für
qualitativ exzellente Produkte und unsere Fähigkeit punktgenau zu
planen, bekannt?

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de