In der CSU-Zentrale und im Verkehrsministerium
gibt es offenbar einen Wecker. Der läutet immer zur gleichen Zeit,
einmal im Jahr, wenn die Feriensaison losgeht. Dann also, wenn die
vielen Ausländer über die schönen Autobahnen des Freistaats rollen,
ohne einen Cent dafür zu zahlen, während der brave deutsche
Autourlauber in den Nachbarländern zur Kasse gebeten wird – so
zumindest lautet dann die immer gleiche Mär. Mit der begründet
Verkehrsminister Peter Ramsauer auch immer, warum es Zeit wird, dass
in Deutschland auch Maut gezahlt wird. Wie in jedem Märchen steckt
auch in Ramsauers Geschichte ein Quäntchen Wahrheit. Die aber geht
leider unter und diesem Spiel, bei dem es um Aufmerksamkeit geht –
und um Taktik. Ramsauer hat bislang wenig Gutes in seiner Bilanz
vorzuweisen. Viele Infrastrukturmaßnahmen stocken. Die Region wartet
zum Beispiel immer noch sehnsüchtig auf einen Flughafenanschluss per
Bahn. Oder auf die Elektrifizierung der Bahnstrecke Regensburg-Hof.
Hingegen braucht niemand in Bayern Riesen-Lkw, wie sie im Freistaat
erprobt werden. Und Projekte wie die Rollende Landstraße, die die
übervollen Autobahnen entlasten würden, sind nicht im Programm des
Straßenverkehrsministers. Hilfreich in einer solchen Situation ist
es, sich mit einem Aufregerthema zu Wort zu melden, noch dazu im
Medium mit der größten Lautsprecherwirkung. Die Aufmerksamkeit von
Millionen Autofahrern ist Ramsauer sicher. Die seiner
Koalitionskollegen ebenso. In der CDU herrscht wenig Sympathie für
die Pläne aus dem Haus Ramsauer. Das ist ein ebenso alter Hut, wie es
die Pläne für eine Pkw-Maut aus der CSU sind. Bereits
Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber haben
sich unter Schwarz-Rot eine blutige Nase bei der schon damals
regierenden Angela Merkel geholt. Auch heute will die Kanzlerin nicht
mitmachen. Die FDP erst recht nicht. Der Gedanke an die Rache des
Wählers bei der Bundestagswahl 2013 mag bei den Liberalen, die soeben
erst die erneute Wiederauferstehung hinter sich haben, das nackte
Entsetzen ausgelöst haben – ebenso wie bei den Autofahrern. Die
ärgern sich über von Lkw verstopfte Autobahnen, für deren Benutzung
sie in Zukunft auch noch zahlen müssen. Doch wer glaubt, dass
Ramsauer der Koalition nur ein weiteres faules Ei ins – durchaus
schon mit derlei Unrat belegte – Nest gelegt hat, irrt. Freilich ist
der Zeitpunkt, kurz vor dem an Konfliktpotenzial nicht armen Treffen
der Koalitionsspitzen am 4. Juni, eigentümlich. Ramsauers Vorschlag
kommt aber erstens in einer nachrichtenarmen Zeit, was ihm höchste
Aufmerksamkeit bringt. Zweitens ist es lang genug her, dass die
Koalition laut über eine Entlastung der vom hohen Spritpreis
gebeutelten Autofahrer nachgedacht hat. Ramsauer kann also darauf
setzen, dass ihm sein Kurswechsel nicht übel genommen wird. Drittens:
Ramsauer hat schon einmal die Maut-Keule geschwungen – und damit eine
Milliarde für sein Budget erstritten. Und wenn das diesmal nicht
gelingt, könnte am Ende zumindest die Maut-Idee gegen das
Betreuungsgeld eingetauscht werden. Denn auch das will die FDP nicht.
Ein perfides Spiel, sicher; aber eines mit Erfolgschance. Dabei
bleibt das Problem auf der Strecke. In Sachen Infrastruktur fehlt es
an allen Ecken und Enden – und leider auch an guten Ideen und an
politischem Willen. Eine intelligent gestaltete und in andere
Verkehrsprojekte eingebettete Pkw-Maut könnte hier einen Beitrag
leisten. Doch mit einer Koalition, in der es den Partnern vor allem
um das eigene Profil geht, ist das nicht mehr zu machen.
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