Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ – mit
diesem Satz hat sich Sarrazin erfolgreich als Tabubrecher und
intellektuell redlicher Querdenker inszeniert. Indem er seine Thesen
zum Tabu stilisiert, kann er jede Kritik daran diskreditieren. Sie
wird in dieser Logik zum Angriff auf die Meinungsfreiheit. Seine
Ansichten wurden intensiv diskutiert – tabuisiert wurden sie
keineswegs. Doch ein Tabu hat Sarrazin tatsächlich gebrochen: Bis zum
Erscheinen seines Buches war es üblich, Argumente mit empirisch
erhobenen Daten zu belegen. Sarrazin dagegen pickt sich aus
Statistiken genau das heraus, was in sein Weltbild passt. Dass das
Berliner Forscherteam seine Thesen nun auf den Prüfstand stellte, war
überfällig. Denn hartnäckig hält sich Sarrazins Ruf als kühler
Rechner. Doch die Studie entlarvt ihn endgültig als geistigen
Brandstifter. Gerechnet hat sich sein Buch nur für ihn selbst:
Angeblich soll er Millionen verdient haben. Die deutsche Gesellschaft
können die negativen Folgen seiner Thesen empfindlich treffen: Gut
ausgebildete Migranten empfinden die von Sarrazins schrillen Thesen
aufgeheizte Atmosphäre erdrückend, kehren Deutschland den Rücken und
zahlen ihre Steuern woanders – oder kommen gar nicht erst. Doch in
Zukunft ist Deutschland auf Fachkräfte angewiesen, egal, ob mit oder
ohne Migrationshintergrund. Deshalb bleibt die wichtigste
Herausforderung, günstige Startbedingungen für alle zu schaffen. Es
wird höchste Zeit, statt über Sarrazins wilde Spekulationen über die
Chancen zu diskutieren, die sich durch Migration eröffnen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de