Mittelbayerische Zeitung: Zeit für den Schlussstrich Kommentar zu Jan Ullrich

Es hat lange gedauert – und so ganz zu Ende ist
es noch immer nicht. Mit dem ewig überfälligen Urteil des CAS ist die
erste Hälfte des Schlussstrichs gezogen, für den zweiten Teil ist Jan
Ullrich nun selbst zuständig. Die Zeichen dafür stehen gar nicht mal
so schlecht. Er hat einen langen und sehr beschwerlichen Weg von der
deutschen Sportikone zum gefallenen und geprügelten Helden hinter
sich – den er sich allerdings in jeglicher Ausprägung selbst
zuschreiben kann und muss. Seit dem vergangenen Sommer ist Ullrich in
das öffentliche Leben zurückgekehrt, hat mit offensichtlich viel
Freude sogar den Weg in die Radsportgemeinde gefunden. Die trotz
aller kritischen Distanz außerordentlich positive Resonanz bei den
Jedermännern zeigt, dass es inzwischen eine echte Bereitschaft zum
Verzeihen gibt. Jan Ullrich hat nun die einmalige und letztmalige
Chance, tatsächlich zurückzufinden. Dazu muss er aber seinen Teil des
Schlussstrichs ziehen. Er muss klarmachen, was eigentlich längst klar
ist. Selbst ein Jahrhunderttalent wie der einzige deutsche
Tour-Sieger hätte sich zur Zeit seiner größte Erfolge nicht gegen die
medikamentös gestärkte Gegnerschaft durchsetzen können, ohne selbst
nachzuhelfen. Dazu muss, dazu kann Ullrich jetzt auch stehen. Seine
ehemaligen Teamkollegen Erik Zabel und Rolf Aldag haben vorgemacht,
dass dieser Schritt in die Öffentlichkeit schmerzhaft aber wichtig
ist. Nur dadurch ist es beiden heute überhaupt möglich, glaubwürdig
in der Szene zu agieren. Ullrich hat außerdem nicht nur eine
Verantwortung für sich selbst, er hat auch eine Verantwortung für
seinen Sport. Eine deutliche Erklärung könnte auch klarmachen, dass
der Radsport den Kampf gegen Doping wirklich aufgenommen hat. Sie
könnte auch dafür sorgen, dass Ullrich endgültig wieder mit erhobenem
Haupt im Feld fahren kann.

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de