MONITOR: Verbrennungstod in JVA Kleve – Massive Zweifel an offizieller Darstellung zur Verhaftung des Syrers Amad A.

Bisher klang es nach einer tragischen Verwechslung:
Die Inhaftierung des jungen Syrers Amad A., der in der JVA Kleve im
Herbst 2018 unter ungeklärten Umständen verbrannte. Doch an dieser
offiziellen Version gibt es jetzt erhebliche Zweifel, wie gemeinsame
Recherchen der WDR-Magazine MONITOR (heute, 21.45 Uhr im Ersten) und
„Westpol“ zeigen.

Demnach ist auch eine gezielte Manipulation von Datensätzen nicht
mehr auszuschließen, die schließlich zur monatelangen Inhaftierung
von Amad A. führte. Auch für die Opposition im Landtag von
Nordrhein-Westfalen stellt sich mittlerweile die Frage, ob hier „in
irgendeiner Weise Absicht“ im Spiel gewesen sei.

Die offizielle Variante des nordrhein-westfälischen
Innenministeriums ging bisher so: Weil die Polizei Kleve nach einer
Datenabfrage angeblich einen Treffer erzielte, hielt man den jungen
Syrer fälschlicherweise für einen von der Staatsanwaltschaft Hamburg
per Haftbefehl gesuchten Malier. Demnach wären beide Personen unter
dem gleichen Namen „Amed Amed“ auffindbar gewesen.

Eines Schreibens des LKA Hamburg zufolge, das den Redaktionen
vorliegt, hätte es am Tag der Verhaftung bei der Datenabfrage
allerdings „keinen Treffer auf den Datensatz“ des per Haftbefehl
gesuchten Maliers „geben dürfen“, weil es eine solche Datenverbindung
zu diesem Zeitpunkt nicht gab. Auch Abfrageprotokolle aus der
wichtigsten Datenbank der Polizei, INPOL, die MONITOR und „Westpol“
vorliegen, widersprechen der offiziellen Darstellung. Das
Bundeskriminalamt hat die Abfrageergebnisse zum Zeitpunkt der
Verhaftung rekonstruiert. Auch hier findet sich keine Verbindung
zwischen dem Syrer Amad A. und dem Malier.

Tatsächlich, auch das geht aus den Ermittlungsakten hervor, wurde
der Aliasname „Amed Amed“ in den Datenbanken erst nachträglich, drei
Tage nach der Verhaftung von Amad A. dem Malier zugeordnet. MONITOR
ließ die Dokumente von der IT-Expertin Annette Brückner analysieren,
die IT- Programme für verschiedene Polizeibehörden entwickelt hat.
Dabei zeigte sich eine weitere Ungereimtheit: Der Aliasname „Amed
Amed“ wurde für den Malier nicht als neue Aliaspersonalie angelegt.
Stattdessen wurde ein schon bestehender Aliasname gelöscht und durch
„Amed Amed“ ersetzt. Einen Fehler im System oder ein Versehen als
Ursache ist für die IT-Expertin ausgeschlossen: „Hier sind ganz
gezielt mehrere Einzeleinträge verändert worden. Von daher gehe ich
davon aus, dass es eine vorsätzliche Veränderung, also vorsätzliche
Manipulation dieses Datensatzes war, um ein bestimmtes Ergebnis zu
erreichen.“

Für Sven Wolf (SPD), Mitglied des NRW-Untersuchungsausschuss zum
Fall Amad A., steht nun ein neuer Verdacht im Raum: Die bisher
vorliegenden Ermittlungsergebnisse hätten demnach „sehr deutlich
gezeigt, dass das bisherige Erklärungsmuster des Innenministers in
Nordrhein-Westfalen nicht mehr passt. Jetzt stellt sich tatsächlich
die Frage: war das ein ganz dummer Fehler, der gemacht worden ist,
oder gab es da in irgendeiner Weise Absicht, ja, war der Wunsch Vater
des Gedankens? Wollte man irgendetwas finden?“

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Kleve äußerte sich auf Anfrage
nicht und verwies auf die laufenden Ermittlungen gegen Angehörige des
Polizeidienstes wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen
Freiheitsberaubung.

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