Neue OZ: Kommentar zu Finanzkrise/evangelische Kirche

Dem Papst sei Dank

Das erwarten viele Menschen in Deutschland: Die großen Kirchen
beziehen Stellung zur Finanzkrise. Die Politik müsse die
Finanzakteure zügeln, fordert EKD-Ratspräsident Nikolaus Schneider.
Dennoch bleibt die Kirche mit ihrer Kritik meist ungehört – ein Tiger
ohne Zähne. Die Geistlichen wissen, dass sie bestimmte Grenzen nicht
überschreiten dürfen. Diese Zurückhaltung liegt auch an der im
Grundgesetz verankerten Trennung von Staat und Kirche. Dass sich aber
nun die evangelische Kirche ihrer Verantwortung für die Schwachen
dieser Welt öfter besinnt, liegt ausgerechnet am Papst. Spätestens,
seit das katholische Oberhaupt bei seinem jüngsten Deutschlandbesuch
den Hoffnungen der Protestanten auf mehr Ökumene eine klare Absage
erteilt hat, scheint die evangelische Kirche ihre diplomatische
Zurückhaltung aufzugeben.

Zu groß war bis dahin die Sorge, die zarten Bande der Annäherung
an die Katholiken mit allzu selbstbewussten oder provozierenden
Äußerungen zu gefährden. Aufseiten der Evangelen wusste man um die
Empfindlichkeiten der anderen Seite. Nun aber: deutlichere Kritik an
der ökumenischen Verweigerungshaltung von Papst Benedikt und
hoffentlich weiterhin offene Worte zu den politischen Missständen in
Deutschland. Die Kritik zur Finanzkrise könnte für die evangelische
Kirche lediglich der Anfang gewesen sein, ihre Aufgabe als
lautstarker Mahner in sozialen Fragen noch offensiver anzugehen – dem
Papst sei Dank.

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