Weg mit den Ritualen
Schweinsbraten und Schnitzel ade, jetzt gibt es Käse und Fisch:
Der kirchliche Aschermittwoch markiert den Beginn der Fastenzeit und
soll an die 40 Tage erinnern, die Jesus darbend und betend in der
Wüste verbrachte. Höchste Zeit, dass sich Politiker eine ähnliche
Auszeit nehmen. Aber sie zogen gestern beim politischen Kehraus vom
Leder, als hätten sie aus der Schlacht um Guttenberg nichts gelernt.
Hohn und Spott gehören zum fragwürdigen Ritual in Bierzelten,
spätestens seit den Verunglimpfungen der letzten Wochen sind die
Menschen triefende Häme aber leid.
Was ihn im Fall Guttenberg störte, schert einen CSU-Chef Horst
Seehofer jetzt aber wenig. Der Reaktivierte muss den Phantomschmerz
lindern, der nach dem Verlust des Hoffnungsträgers die Weiß-Blauen
quält. Draufhauen und wieder mal gegen Islamisierung und Zuwanderung
Stimmung machen – das ist die Schocktherapie, die den verwirrten
Christsozialen auf die Beine helfen soll. Die schlimmen
Nebenwirkungen sind offenbar egal.
Was auf dem Viehmarkt in Vilshofen als großer Diskurs zu Beginn
der Fastenzeit begann, ist zum hohlen Ritual verkommen. Statt
handfester Reden jetzt Polit-Abrechnung im Dutzend, alle Parteien
holzen gnadenlos los. Merkt denn keiner, dass viele Sprüche, aber
wenig Substanz genau das befördern, vor dem alle warnen: die
Politikverdrossenheit? Also weg mit einem Brauch, der sich überlebt
hat. Her mit Politikern, die Mut zur Einkehr haben.
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