Neue Westfälische (Bielefeld): Abschluss der Olympischen Spiele Verteilungskampf hat begonnen RAINER KLUSMEYER, LONDON

Im englischen Örtchen Wenlock entwickelte ein
gewisser William Penny Brookes Mitte des 19. Jahrhunderts die Idee
von den Olympischen Spielen der Neuzeit. Jetzt war London als erste
Stadt überhaupt zum dritten Mal Gastgeber für das größte
Sportspektakel der Welt. Und die Briten machten aus Olympia 2012 ihr
ganz eigenes Sommermärchen. Mit den gleichen Zutaten wie denen der
deutschen Fußball-Variante von 2006: freundliche,
begeisterungsfähige, gutgelaunte Menschen, Erfolge des eigenen Teams,
fast durchgehend gutes Wetter. Wie so oft bei Ereignissen dieser
Dimension erfüllte sich am Ende so gut wie keine der vielen
Negativprognosen. Terrorangst war geschürt, der Verkehrskollaps
befürchtet, Besuchernepp angeprangert worden. London wirkte wie der
sicherste Ort der Welt – dank konsequenter, aber relativ dezenter
Kontrolle. Der olympische Verkehr lief meistens reibungslos – wegen
der klugen Planungen und der gegenseitigen Rücksichtnahme der
Besucher aus aller Welt. Restaurants, Pubs und Andenkenläden
erfreuten sich großer Beliebtheit – zu akzeptablen Preisen. Yes, they
can: London und die Briten haben gezeigt, dass die Entscheidung, die
Sommerspiele ein drittes Mal zurück in ihre geistige Heimat zu holen,
ein gute war. London dürfte sich mit Barcelona 1992 und Sydney 2000
auf eine Stufe stellen in der Hitparade der stimmungsvollsten
Sommerspiele der jüngeren Vergangenheit – wenn nicht die vielen
gravierenden Fehler der Kampfrichter das positive Gesamtbild getrübt
hätten. Das deutsche Team spielte im sportlichen Wettstreit der
Nationen genau die Rolle, die ihm zuzutrauen war. Auf Platz fünf oder
sechs der Medaillenwertung – je nach Bewertung der Anzahl der
Goldplaketten oder der Gesamtzahl der Medaillen – verharrt die
Mannschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes seit 2000 konstant.
Der DOSB muss sich vorwerfen lassen, mit den zu lange geheim
gehaltenen Zielvereinbarungen utopische Erfolgsvorgaben geschaffen zu
haben. Unter den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen der
Förderung wird es auf absehbare Zeit unmöglich sein, Medaillenzahlen
wie kurz nach der Wiedervereinigung (1992: 82) zu erreichen, als der
deutsche Sport von den DDR-Strukturen profitierte. Heutzutage reicht
es in der Gesamtabrechnung nur noch zum Ehrenplatz hinter Ländern,
die aus einem größeren Reservoir schöpfen können (USA, Russland), in
denen sportlicher Erfolg politisch gewollt ist (China, Südkorea) oder
die als Gastgeber wie jetzt Großbritannien in neue finanzielle
Größenordnungen vorgedrungen sind. Angesichts der weltweiten
Finanzkrise ist es illusorisch, eine Aufstockung des deutschen
Olympia-Etats zu erwarten. Das wissen auch die Verbände, weshalb
bereits in London der Verteilungskampf um die Gelder begonnen hat.
Der DOSB mit seinem Präsidenten Thomas Bach und seinem
Generaldirektor Michael Vesper steht vor der Herausforderung, die
Einheit des deutschen Sports zu bewahren.

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