Den Umfrage-Absturz der Grünen hätte man in
diesen Dimensionen vielleicht nicht vorhergesagt. Aber überraschend
ist er nicht. Die Grünen treten im Bund mit einem Programm an, das
von Maß und Mitte und, ja, auch von einer gewissen Demut gegenüber
dem Wähler wenig weiß, sondern eher von Überheblichkeit und
Regelungswut gekennzeichnet ist. Dass man sich nicht auf seine
unbestreitbar großen Stärken in der Umweltpolitik und im
Verbraucherschutz verlassen hat, sondern glaubte, die
Sozialdemokraten in der Sozial- und Steuerpolitik noch weit links
überholen zu müssen, ist ein Kardinalfehler. So glaubt heute doch
kein Mensch mehr, dass das Reich der Gerechtigkeit anbricht, wenn der
Staat die Steuer- und Abgabenschraube besonders stark anzieht, wie es
das grüne Wahlprogramm verheißt. Vor allem nicht in einer Zeit, wo
die Steuergelder von alleine sprudeln. Aber es ist nicht nur die
Staatsgläubigkeit, die stört. Nichts gegen weniger Fleisch auf dem
Teller, aber muss man deshalb mit erhobenem Zeigefinger einen
Veggie-Day in der Woche zum Standard erklären wollen? Die Grünen
haben noch gar nicht gemerkt, dass ihnen die Rolle des Moralapostels
nicht mehr steht. Dass die Partei bis zu Beginn der 90er Jahre ein
Problem mit Pädophilen in den eigenen Reihen hatte, ist bedrückend.
Doch die Parteiführung in Berlin hält es nicht für nötig, eine
Anlaufstelle für ehemalige Opfer einzurichten oder über finanzielle
Kompensation nachzudenken. Um es ganz klar zu machen: Die Grünen
leisten gute Arbeit in den Bundesländern. Winfried Kretschmann ist
ein ausgezeichneter Ministerpräsident, und überall, wo die Grünen
basisnah pragmatische Arbeit verrichten wie in Düsseldorf oder in
Kiel, stellen sich Erfolge ein. Für die falschen Akzente in diesem
Wahlkampf zeichnet vor allem die Spitze der Partei im Bund
verantwortlich.
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