Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Koalitionspoker Einer muss es ja machen JOHANN VOLLMER

Von allen politischen Ränkespielen ist der
Koalitionspoker am leichtesten zu erlernen. Die Inszenierung einer
zähen Regierungsbildung ist derzeit in Berlin zu beobachten. Vier
Regeln gehören dabei zur Grundvoraussetzung: 1. Böse Miene zum guten
Spiel Paparazzigleiche Fotos durch die Fenster der Parlamentarischen
Gesellschaft zeigen ernste bis verbissene Gesichter. Man weiß
drinnen, dass draußen fotografiert wird. Insgeheim versteht man sich
im politischen Geschäft untereinander. Mindestens kollegial ist das
Verhältnis zwischen den Reichstagsstühlen. Die wahren Feinde lauern
sowieso nicht beim politischen Gegner, sondern unter den eigenen
Parteifreunden. Mit denen strahlt man beim An- tritt zum
Sondierungsgespräch aber um die Wette, als ginge es zum Knödelbuffet.
2. Das Offensichtliche dauert etwas länger Man tagt stundenlang bei
dünner Kürbissuppe, Wasser und Brot. Die Verhandlungen müssen bis
tief in die Nacht gehen, um die Standhaftigkeit der eigenen Position
zu untermauern. Schöner Nebeneffekt: Die Medien erreichen aktuell nur
noch ein paar Schlafwandler, am nächsten Tag ist die Kürbissuppe
kälter als der Schnee von gestern. 3. Empörung über die unannehmbaren
Positionen SPD und CDU/CSU tun geradeso, als sei ihnen die Option der
großen Koalition vom Wähler völlig überraschend in den Schoß gelegt
worden; als würde man jetzt erst die Wahlprogramme des Gegners
kennen. Lange Zeit sieht es darum ganz, ganz düster für eine
Regierungsbildung aus. 4. Am Ende sind alle Gewinner Diese Regel
setzt schon bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses ein. Sein Gesicht
zu wahren ist oberstes Ziel. Denn es geht nicht um Ministerposten,
sondern um Inhalte. Aber einer muss es ja machen.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de