neues deutschland: Ex-Grünen-Abgeordneter Volker Beck beklagt Tabu der Antisemitismuskritik an deutschen Gerichten

Der Antisemitismus-Experte und ehemalige
Bundestagsabgeordnete der Grünen Volker Beck sagt, vor deutschen
Gerichten wiege der Antisemitismusvorwurf mittlerweile schwerer als
Judenfeindschaft selbst. So nehme der Sänger Xavier Naidoo in seinen
Liedtexten Anleihen an den wahnhaften Weltbildern von Antisemiten und
Reichsbürgern. Dennoch hat das Landgericht Regensburg entschieden,
dass man ihn nicht als Antisemiten bezeichnen darf. Vor dem
Hintergrund der Verbrechen der Nazidiktatur sowie des Holocaust sei
die Bezeichnung in besonderer Weise geeignet, den so Bezeichneten
herabzuwürdigen, lautete die Begründung. Denn das allgemeine
Verständnis sei, dass damit zum Ausdruck komme, dass derjenige die
Überzeugungen teilt, die zur Shoah führten. „Da stehen die
Verhältnisse in der Rechtsprechung Kopf“, schreibt Beck in der in
Berlin erscheinenden Tageszeitung „neues deutschland“
(Mittwochausgabe). „Die Millionen Opfer der Shoah werden für die
Begründung eines Tabus der Antisemitismuskritik missbraucht.“

Außerdem ignorierten deutsche Gerichte mit der Fixierung auf den
Holocaust in ihren Antisemitismusurteilen die „2000 Jahre währende,
abendländische (Un-)Kulturgeschichte des Antisemitismus“, so der
Wissenschaftler, der am Centrum für religionswissenschaftliche
Studien (CERES) der Ruhruniversität Bochum lehrt. Beck, der von 1994
bis 2017 Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen war,
schreibt: „Der Holocaust war der verbrecherische Höhepunkt der
abendländischen Geschichte des Antisemitismus, nicht ihr Anfang.“

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