neues deutschland: Kommentar zum SPD-Mitgliederentscheid: Krisenverwalter

Von einem Streit auf Augenhöhe zwischen
Befürwortern und Gegnern einer erneuten Großen Koalition kann in der
SPD keine Rede sein. Die Regionalkonferenzen, die in diesen Tagen
abgehalten werden, dienen der Parteispitze dazu, die Mitglieder zu
bearbeiten, damit diese beim Basisentscheid für die Fortsetzung von
Schwarz-Rot stimmen. Diejenigen, die für ein Nein werben, sollen
dabei möglichst nicht zu Wort kommen. Dieser Umgang mit internen
Kritikern zeigt die fehlende Souveränität vieler Spitzengenossen. Sie
haben offenbar Angst davor, dass Argumente, die ihnen nicht passen,
ein großes Gewicht erhalten. Denn die Warnungen vor dem Schicksal,
das der SPD droht, wenn sie vier weitere Jahre mit der Union regieren
sollte, sind sehr realitätsnah. Der Blick in europäische
Nachbarländer zeigt, dass sich sozialdemokratische Parteien
überflüssig machen, wenn sie sich immer weiter von ihren einstigen
Idealen entfernen. Der Absturz der SPD in den Umfragen ist ein
Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte.

Die sozialdemokratischen Freunde von Schwarz-Rot können nur
hoffen, dass die Leidensfähigkeit ihrer Mitglieder weiterhin ebenso
ausgeprägt ist wie ihre Furcht vor Neuwahlen und chaotischen
Zuständen nach möglichen weiteren Rücktritten in der Partei.
Inhaltlich überzeugend wirkt der Werbefeldzug für die Große Koalition
nicht. Die SPD-Spitze verwaltet lediglich die Krise der Partei, statt
sie zu überwinden. Deswegen wird die SPD auch dann nicht zur Ruhe
kommen, wenn die Basis ihrer Führung mehrheitlich folgen sollte.

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