Wieder einmal zeigt das Bundesverfassungsgericht
auf, wie modern und tolerant führende Kräfte in der Union sind –
nämlich gar nicht. Andernfalls hätte die Koalition längst alle
Schritte unternehmen können, um gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften der Ehe gleichzustellen. Die Freude der
Schwulen- und Lesbenverbände sowie der parlamentarischen Opposition
über das gestrige Urteil zum Ehegattensplitting ist deshalb
berechtigt. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die
Ungleichbehandlung im Steuer- oder auch Adoptionsrecht längst nicht
auf Homoehen beschränkt ist. Das tief in einem Teil der Bevölkerung
und ganzen Parteien verankerte wertkonservative Rollenbild verhindert
weiter, dass jedes Familienmodell – wovon es in der heutigen Zeit
viele gibt – vor dem Gesetz gleich behandelt wird. Die Ehe als allein
selig machende Lebensgrundlage hat zwar in der Praxis längst
ausgedient, bürokratisch werden Unverheirateten, Singles oder
Patchworkfamilien jedoch teils ganze Felsmassive in den Weg gelegt.
Auch beim aktuellen Karlsruher Urteil geht es nicht um eine
prinzipielle Gleichstellung aller Lebens- und Familienformen, sondern
nur um einen Teilaspekt des Steuerrechts. Dieser basiert zudem auf
einem längst überholten Familienbild und bietet nur dann finanzielle
Vorteile, wenn einer der Eheleute die Ernährerrolle innehat. Nun ist
es aber auch nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtes,
Diskriminierung abzuschaffen – das kann allein die Politik leisten.
Höchste Zeit wäre es jedenfalls.
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