Neues Deutschland: zum Gedenken an die Opfer rechtsextremistischen Terrors

»Aus Worten können Taten werden«, sagte die
Kanzlerin beim gestrigen Staatsakt. Mit Kurt Tucholsky möchte man ihr
entgegnen: »Was nützen die besten Worte, wenn sie über die
Wirklichkeit hinwegtäuschen?« Anders gesagt: Worte können auch sein
wie rosa Schleifchen, mit denen man den Dreck verziert. Reden kostet
obendrein nichts und fühlt sich diffus gut an. Auch eine Miene des
Bedauerns ist rasch aufgesetzt, ein Bekenntnis zu Demokratie,
Toleranz und Eiapopeia ist schnell abgeliefert, und eine Verurteilung
»extremistischer« Gewalt, die wahlweise von links, rechts, oben oder
unten kommt, jedenfalls von irgendwelchen Bösen von außerhalb, ist
rasch heruntergeleiert. Mit großer Regelmäßigkeit ist man dann
bestürzt, bewegt und betroffen oder empört, enttäuscht oder
entschlossen, oder irgendetwas anderes in dieser Größenordnung. Stets
sind es zuverlässig dieselben längst ranzig gewordenen Begriffe, die
klingen, als habe man sie allesamt demselben Wort- und Satzbaukasten
entnommen, der immer dann geöffnet wird, wenn die deutsche Trauer-
und PR-Maschine angeworfen wird. Auf Taten hingegen wartet man: Bis
heute gelten hier geborene Kinder von Migranten nicht von vornherein
als deutsche Staatsangehörige. Ein Drittel der Deutschen ist der
Ansicht, man solle »Ausländer nach Hause« schicken, wenn es auf dem
Arbeitsmarkt schwierig wird. Und wer gegen Neonazis demonstriert, wie
in Dresden, muss Angst haben, strafrechtlich verfolgt oder
ausspioniert zu werden. Wohl auch künftig.

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion / CvD

Telefon: 030/2978-1721