Der Bundespräsident hat versucht, den
Rettungsanker in eigener Sache zu werfen – gelungen ist ihm das
nicht. In seiner persönlichen Erklärung sind erneut zu viele Fragen
offen geblieben. Christian Wulff ist somit ein Präsident, dessen
Glaubwürdigkeit nach wie vor beschädigt ist. Kein Wort zu den Gründen
der Entlassung seines langjährigen Sprechers, kein Wort zu den
supergünstigen Zinssätzen seiner fragwürdigen Hausfinanzierung, kein
Wort darüber, ob er aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat:
Der Bundespräsident ist nach Tagen der Dauerkritik vieles an
Erklärung schuldig geblieben. Er hat sich zwar endlich persönlich
geäußert, aber wie er sich zu den Vorwürfen und der plötzlichen
Entlassung seines Sprechers eingelassen hat, lässt nicht darauf
schließen, dass es ihm tatsächlich aufrichtig Leid tut und er sich
seines Fehlverhaltens auch wirklich bewusst ist. Echte Einsicht sieht
anders aus. Stattdessen hat man nach diesem Vier-Minuten-Statement,
bei dem Nachfragen nicht erlaubt waren, erneut das Gefühl, dass Wulff
nur so viel sagen will, wie er unbedingt muss. Er wackelt weiter und
drückt sich davor, selbst zur Aufklärung am meisten beizutragen. Es
scheint, als ginge es ihm in erster Linie um seine eigene Rettung als
Bundespräsident – nicht aber darum, ein für alle Mal ehrlich,
plausibel, umfassend und aufrichtig reinen Tisch zu machen. Christian
Wulff hat mit ernster Miene gesprochen, aber seine Wortwahl deutet
darauf hin, dass er selbst gar nicht davon überzeugt ist, gravierende
Fehler gemacht zu haben. »Meine Hausfinanzierung wirkte irreführend«
– was meint Christian Wulff denn damit? Was heißt das exakt? Etwa,
dass 80 Millionen Menschen in diesem Land ihren Bundespräsidenten
falsch verstanden haben? Oder ihn gar nicht verstehen können? Meint
Wulff mit der Wortwahl »wirkte irreführend«, dass die Inanspruchnahme
des Kredits von einem Unternehmer eigentlich nur dem Anschein nach
falsch war, aber gar nicht falsch ist? Warum hat Christian Wulff
nicht gesagt: Die Hausfinanzierung war ein Fehler. So etwas hätte mir
nicht passieren dürfen. Ich entschuldige mich dafür in aller Form.
Dass der Präsident sich offenbar selbst als Opfer sieht, zeigt die
Aussage, er habe in den vergangenen Tagen 250 Einzelanfragen
beantwortet – wie fleißig von seinen Mitarbeitern. Aber was will er
uns damit sagen? Dass nunmehr alle Fragen hinreichend beantwortet
worden sind? Auch wenn die beiden Fälle inhaltlich nicht zu
vergleichen sind: Der Umgang Wulffs erinnert ein wenig an das
selbstgefällige Verhalten Karl-Theodor zu Guttenbergs in der
Plagiatsaffäre. Auch er ließ echte Einsicht vermissen. Vielleicht hat
Christian Wulff sich durch seine Erklärung kurz vor den
Weihnachtsfeiertagen ein wenig Luft verschafft. Die Affäre um ihn ist
aber längst noch nicht ausgestanden.
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Andreas Kolesch
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