Das Amt, das der Bundespräsident angeblich schon
seit vier Wochen beschädigt, war gestern ein nicht
reparaturbedürftiger Wallfahrtsort. Neben verdienstvollen
Landeskindern fanden sich auch die weniger verdienstvollen
Landeslenker im Schloss Bellevue ein. Und natürlich schreibende und
filmende Landeserklärer, über deren Verdienste man geteilter Meinung
sein kann. Fast steht zu fürchten, dass Christian Wulff im Bunde mit
der »Bild«-Zeitung durch Einblicke in seinen routinierten Umgang mit
Vergünstigungen und seinen weniger routinierten Umgang mit
Anrufbeantwortern eine Charmeoffensive gestartet hat, damit die
Öffentlichkeit endlich die Arbeit des Staatsoberhauptes zur Kenntnis
nimmt. Hier die Sternsinger, da das diplomatische Korps, dort eine
Briefmarke und nun der Bürgerempfang – was sonst nur zur Randnotiz
taugte, hat heute das Zeug zur Spitzenmeldung. Der Niedersachse ist
in aller Munde; was will er mehr. Schließlich machen auf der
hauptstädtischen Bühne alle artig das Theater mit. Die, die den Mann
aus taktischem Kalkül trotz all der Affären halten wollen und die,
die vor, während und nach dem Gang zu Hofe über mögliche Nachfolger
des Hausherrn spekulieren. Stünde der Präsident nur etwas über den
Dingen, er könnte herzlich lachen über all die Hände, die sich ihm
entgegenstrecken – oder würde wie sein Vorgänger die Tür ins Schloss
fallen lassen. Aber Wulff hat zu Ersterem zu wenig Humor und zu
Letzterem zu wenig Mumm. Er ist in all seiner Lauheit und all seiner
Lausigkeit der Repräsentant, den dieses Land verdient.
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