Nieren-Spender werden nichtüber Langzeitfolgen aufgeklärt / Prof. Gilbert Thiel fordert Aufklärung über das Risiko von chronischer Müdigkeit / „Report Mainz“, heute, 4. Juli 2011, 21.45 Uhr im Ersten

Der emeritierte Baseler Transplantationsmediziner,
Professor Gilbert Thiel, fordert, dass potentielle Lebendorganspender
vor der Transplantation über das Risiko von chronischer Müdigkeit,
dem so genannten Fatigue-Syndrom, aufgeklärt werden. Das Team um
Professor Thiel befragt in einer Langzeituntersuchung unter anderem
alle Spender alle zwei Jahre nach ihrem Gesundheitszustand. Das ist
weltweit einmalig. Obwohl Prof. Gilbert Thiel die Spender gar nicht
nach Müdigkeit gefragt hatte, klagen dennoch acht Prozent genau über
dieses Symptom. Durch die Art der Fragestellung geht Thiel von einer
größeren Dunkelziffer aus und fordert eine Aufklärung aller Spender
über dieses Risiko, da gebe es für ihn „überhaupt keinen Zweifel.“

Auch eine wissenschaftliche Untersuchung der medizinischen
Hochschule Hannover vor einigen Jahren besagt, dass 26 Prozent der
Spender über eine schlechtere Leistungsfähigkeit ein Jahr nach der
Organentnahme klagen. Der emeritierte Göttinger Medizin- und
Strafrechtler Hans-Ludwig Schreiber, der unter anderem am derzeit
gültigen Transplantationsgesetz mitgeschrieben hatte, sagte gegenüber
„Report Mainz“: Wenn über dieses Risiko nicht aufgeklärt werde, sei
das ein „haftungsbegründendes Verhalten“.

Tatsächlich klären führende deutsche Transplantationsmediziner
nicht oder nicht explizit über das Fatigue-Syndrom auf. Prof. Peter
Neuhaus von der Berliner Charité ist persönlich davon überzeugt,
„dass diese Störungen mit der Organentnahme keinen Zusammenhang
haben“. Gegenüber „Report Mainz“ sagte er: „Und ich würde die
Patienten, die potentiellen Spender nur verängstigen, und das halte
ich nicht für richtig.“ Ähnlich äußert sich auch Prof. Jürgen
Klempnauer von der medizinischen Hochschule Hannover: „Wir klären
über langfristige psychosoziale Einschränkungen auf, können aber
nicht jeden möglichen Umstand einzeln ansprechen.“ Auf die Frage von
„Report Mainz“, ob das Fatigue-Syndrom nicht angesprochen werde,
sagte er: „Nicht als Fatigue-Syndrom als einzelne Komplikation.“

Junge und sportliche Menschen beklagen im „Report Mainz“-Bericht,
dass ihre Leistungsfähigkeit nach einer Nierenspende dramatisch
reduziert sei. Eine vom Politikmagazin befragte Spenderin wurde nach
der Operation sogar berufsunfähig. Gegenüber dem Politikmagazin
beteuerte sie, nicht über das Risiko eines chronischen Müdigkeits-
oder Fatigue-Syndroms aufgeklärt worden zu sein. Deshalb klagt sie
jetzt wegen Nichtaufklärung gegen die Transplantationsklinik.

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an „Report Mainz“, Tel.:
06131/929-3351.